Parkplatzkrach in Airport City
Zu reden gab an der Ratssitzung vergangener Woche die Parkplatzverordnung für Airport City, welche die verbesserte ÖV-Anbindung berücksichtigt. Weil das weniger Parkplätze bedeuten könnte, wehrten sich die Bürgerlichen, unter anderem mit einem Referendum. Nun muss das Volk entscheiden.
Die Gemeinderatssitzung von Anfang November gab eine kleine Vorschau auf den anstehenden Wahlkampf: Eine selbstbewusste Linke tritt gegen eine bürgerliche Mehrheit an. Gegenstand der Auseinandersetzung war die Parkplatzverordnung für das Planungsgebiet Airport City (siehe Artikel auf Seite 1), die schon in der zuständigen Planungskommission (Plako) äusserst umstritten war.
In der Diskussion sagte Manuela Bührer (FDP) namens der Plako-Minderheit, die PPV sei nicht familienfreundlich und verfehle ihr Ziel: «Die Airport City ist schon heute eines der am besten erschlossenen Gebiete des Kantons und gemäss Bund sogar ein positiver Ausreisser.» Weitere Regulierungen zugunsten des öffentlichen Verkehrs seien hier unnötig, und «gegen einen Parkplatz-Abbau wehren wir uns». Der Minderheitsantrag, den massgeblichen Bedarf für Parkplätze flexibler zu ermitteln (Bewohner 0–100%, Beschäftigte 0–65%, Besucher und Kunden 0–80% sowie die Änderungskompetenz beim Gemeinde- statt beim Stadtrat) solle verhindern, dass deswegen die ganze PPV gekippt werden müsse.
Auch Patrick Rouillers Mitte-Fraktion unterstützte den Änderungsantrag der Minderheit: «Weil die Parkplatzzahl unabhängig von der Grösse einer Wohnung gleich bleibt, könnten Investoren versucht sein, nur renditestarke Kleinstwohnungen vorzusehen, um so möglichst viele Parkplätze zu bekommen.»
Plako-Präsident Jeremi Graf (SP) hielt entgegen, dass dieses «eher grosse Geschäft» seit Januar an sechs nicht öffentlichen Sitzungen und sowie an einer erweiterten Runde mit Gemeinderatsmitgliedern stets äusserst konstruktiv behandelt worden sei. (Letzteres gemäss Graf, «um Gerüchten vorzubeugen und Fragen zu klären». Gekommen waren 3 Ratsmitglieder, 2 von der SVP). Auch am Bericht zuhanden des Gemeinderates hätten alle mitgearbeitet.
SVP kritisiert Einschränkung
Thomas Edel (SVP) monierte, dass die PPV Probleme schaffe, statt welche zu lösen, und bediente sich streckenweise derselben Argumentation wie Richi Muffler vom Quartierverein Glattbrugg (siehe unten). In ihrer Mobilität eingeschränkt würden Schichtarbeitende, Handwerker, Monteurinnen, und Familien – «kurz diejenigen, welche die Gemeinde am Laufen halten». Durch die PPV würden die Mietpreise auch bestehender Parkplätze in die Höhe schiessen, da diese nicht durch das Mietrecht geschützt seien, und das wilde Parkieren gefördert.
Um zu erreichen, dass der zusätzliche Verkehr zu Hälfte vom ÖV übernommen werde, brauche es keine weiteren Einschränkungen. Die Behauptung der Baubehörde, dass der Kanton dereinst schärfere Massnahmen verlange, entspreche nicht der zu erwartenden Realität. «Denn der Kanton erstellt unweit der Airport City 800 zusätzliche Parkplätze (Parkplatz P65, Anm. d. Red.) und käme in Erklärungsnot, wenn er aufstockt, es aber anderen verbietet.» Edel plädierte dafür, statt einer eigenen Parkplatzverordnung für die Airport City diejenige der gesamten Stadt mit einem Passus für jenes Gebiet zu ergänzen. Die SVP wolle deshalb weder die PPV noch die vorgeschlagene Änderung unterstützen, sondern sie komplett ablehnen.
FDP warnt vor Nebenwirkungen
FDP-Präsident Björn Blaser warnte vor übermässigem Parkplatz-Abbau und seinen Folgen und wollte deshalb den Minderheitsantrag unterstützen. Das Areal am Flughafen sei Standort vieler kleiner und mittlerer Betriebe. «Der Blick nach Zürich zeigt, wohin der Abbau führt: Leere Läden, weggezogene Firmen. Opfikon darf diesen Fehler nicht machen.» Ohne Parkplätze seien die Kunden weg, die Lieferungen erschwert, die Umsätze brächen ein. «Parkplätze sind erfolgsentscheidend. Die FDP fordere eine praxisnahe Verkehrspolitik statt ideologische Verbote. Intelligente Parkplatzbewirtschaftung ist sinnvoller als deren Abbau.»
Abstimmung mit Namensaufruf
Jeremi Graf meldete sich dann nochmals als Befürworter der PPV zu Wort. Er bezweifelte, dass diese nach der anstehenden BZO-Revision strenger würde. «Und wenn die SVP mehr soziale Durchmischung will, kann sie gern auf uns zukommen.» Doch seien nicht grosse Wohnungen per se familienfreundlich, sondern bezahlbare. Wegen des Fluglärms sei das Gebiet aber weniger für Familien, sondern für Gewerbe und Dienstleistungen geeignet. Anders als die FDP behaupte, sei kein Parkplatz-Abbau geplant, denn Liegenschaften hätten Bestandesgarantie, was auch bei Änderungen pragmatisch ausgelegt werde. Für die (knappe) Mehrheit seiner Kommission sei die PPV die beste Massnahme, um den Mehrverkehr in der Airport City zu steuern. Denn: «Wie will man mit mehr Parkplätzen den Modalsplit einhalten und das Strassennetz am Laufen halten?»
Dem widersprach wiederum Urban Husi: «Wir wollen nicht mehr Parkplätze, sondern den jetzigen Status beibehalten.»
Die Abstimmung erfolgte schliesslich auf Verlangen der SVP mit Namensaufruf. Dabei sagten 16 Ratsmitglieder ja zur PPV, 15 Nein. Der Stimme enthalten hat sich niemand. Ein Stichentscheid der Präsidentin war also – wenn auch knapp – nicht nötig. Durch das Behördenreferendum hat aber das Volk das letzte Wort.
Contra: Vorwürfe des Quartiervereins Glattbrugg
Dort, wo kaum Akademiker oder Verwaltungspersonal wohnen, wo man auf das Auto angewiesen ist, will man künftig höchstens 0,8 Parkplätze pro Fünfzimmerwohnung bewilligen – dieselbe Quote wie für ein Einzimmerapartment. Eine fünfköpfige Familie soll also mit weniger Platz auskommen als ein Single mit E-Bike-Abo. Die Logik ist bestechend – wenn man sie nicht zu Ende denkt. Mehrere Mitglieder des Quartiervereins Glattbrugg, die an den Workshops zur «Airport City» teilgenommen oder in der Plako mitgearbeitet haben, bestätigen: Eine Reduktion der Parkplätze war nie akzeptiert – sie war nicht einmal als Option im Raum. Und doch liegt nun eine Vorlage auf dem Tisch, die so tut, als sei das alles längst beschlossen und rechtlich unumgänglich.
Doch niemand konnte beantworten, welchen Nutzen diese Reduktion eigentlich haben soll oder welche Folgen sie auf den Wohnungsbau, die Mietpreise oder die soziale Durchmischung haben wird. Offensichtlich war das auch gar nicht nötig – man hat schlicht das Bauamt gefragt, was es gerne hätte, und die Antwort ungeprüft ins Protokoll übernommen. Kritische Fragen? Ebenfalls ans Bauamt verwiesen. Kontrolle? Zwecklos – die Kontrollierten dürfen sich gleich selbst kontrollieren.
Dass die Reduktion der Parkplätze die Bauherren kaum stört, liegt auf der Hand: Weniger Parkplätze heisst tiefere Baukosten – dafür höhere Mieten, weil die knappen Plätze zur Luxusware werden. Und was baut man dann? Natürlich keine Familienwohnungen, sondern hochrentable Kleinwohnungen für all jene, die ohnehin kein Auto brauchen. Das nennt man dann Strukturpolitik – zufällig gegen jene, die hier wohnen.
Die Bedürfnisse der Menschen im Quartier scheinen der Mehrheit in der Plako gleichgültig zu sein. Und während man in Opfikon über Begrünung und Nachhaltigkeit doziert, macht man Glattbrugg schlicht autolos unbewohnbar – und nennt das Fortschritt.
Die Folgen sind vorhersehbar: Wer auf ein oder mehrere Fahrzeuge angewiesen ist, wird künftig nicht mehr nach Glattbrugg ziehen. Und wer schon hier lebt, wird bald exorbitante Mieten für seine Parkplätze bezahlen müssen – falls er überhaupt noch einen bekommt. Kurz: Man bestraft genau jene Bevölkerung, die ohnehin schon genug Lasten trägt – und verkauft es als umweltpolitische Einsicht.
Richi Muffler, wie wird sich der Quartierverein Glattbrugg in den Abstimmungskampf einbringen?
Wir werden die Führung übernehmen im Kampf gegen diese Katastrophe. Man will das Gebiet in ein Businessquartier umbauen – obwohl die Raumplanung vorschreibt, dass die Bevölkerung ihr Einverständnis geben muss.
Ich sehe in dieser Planung über drei Gemeinden auch keine wesentliche Verbesserung fürs Gewerbe, denn höher bauen ist wegen des nahen Flughafens gar nicht möglich. Und eine Umnutzung für mehr Wohnungen statt halb leerer Gewerbebauten – was schlau wäre – kann Opfikon nicht allein bestimmen. Die Planung Airport City ist für mich deshalb ein Papiertiger.
Warum wehrt sich der Quartierverein Glattbrugg gegen die PPV?
Die Arealüberbauung Dreispitz ist eine ausgesprochene Familiensiedlung. Vizepräsident Daniel Schoch und ich haben uns in all diesen Gremien gegen eine Parkplatzreduktion gewehrt. Rechtlich ist es klar: Die Raumplanung schreibt lediglich vor, dass 50 Prozent der Neuzuzüger den ÖV benutzen sollen – und das war in Opfikon immer der Fall. Alles andere sind unbelegte Behauptungen.
Wird auch der Quartierverein das Referendum ergreifen?
Wenn die Mehrheit der Bevölkerung in einer Volksabstimmung (nötig nach dem Behördenreferendum, Anm. d. Red.) die Zahl der Parkplätze sowieso reduzieren will, werden wir vom Bezirksrat lediglich die Rechtmässigkeit des Entscheides prüfen und Unwahrheiten ahnden lassen. Denn wenn manche Gemeinderäte gewusst hätten, dass der Kanton gar nicht verschärfen kann, hätten sie der PPV nicht zugestimmt.
Pro: Stellungnahme der Abteilung Bau und Infrastruktur
Wie viele Parkplätze gibt es heute in der Airport City pro Wohnung beziehungsweise pro Arbeitsplatz?
Bestehende Parkplätze (PP) wurden projektweise nach damals geltenden Vorgaben bewilligt. Eine konsolidierte Kennzahl pro Wohnung oder Arbeitsplatz liegt nicht vor. Ebenso wenig existiert keine offizielle Gesamtsumme für alle drei Gemeinden, da sie keine flächendeckende Bestandsliste je Grundstück führen.
Wie viele Parkplätze wird es bei Neu- und grösseren Umbauten geben?
Berechnet wird in zwei Schritten: a) nach Nutzungsart, z. B. Wohnen: 1 PP Wohnung; Büro/Dienstleistung: 1 PP pro 80 m² massgebliche Geschossfläche (mGF, alle dem Wohnen oder Arbeiten dienenden Räume) für Beschäftigte, plus Besucheranteile je nach Nutzung.
b) Reduktion nach ÖV-Güteklasse des Standorts. Beispiel Bewohner: Gebiet B 0–80% des Grenzbedarfs, Gebiet A 0–60%. Daraus ergibt sich der Wert 0,8 PP je Wohnung als Obergrenze im Gebiet B. Das Reglement gilt für Neu-, Um- beziehungsweise Ausbauten und Umnutzungen im Perimeter Airport City.
Abstellplätze für Firmenwagen oder Aussendienstmitarbeitende werden anders berechnet. Wie?
Betriebsfahrzeuge respektive deren Parkplätze unterliegen nicht der Parkplatzverordnung. Die Anzahl Parkplätze für Firmenwagen werden anhand der Nutzung und deren Konzept beurteilt.
Welche Regeln gelten seitens des Kantons?
Massgeblich sind die übergeordneten Ziele des kantonalen Richtplans. Die Wegleitung 2018 dient als fachliche Grundlage und Orientierung. Um die behördenverbindlichen Vorgaben an den Modalsplit gemäss kantonalem Richtplan zu erreichen, ist im Gebiet Airport City bereits die Wegleitung 2018 massgebend. Die ältere Wegleitung 1997 berücksichtigte andere Vorgaben und andere ÖV-Güteklassen, die unter anderem aufgrund des Baus der Glattalbahn nicht mehr stimmen.
Was war der Auslöser für die neue Parkplatzregelung?
lm Rahmen der Gebietsplanung Airport Region wurde der Umgang mit der Parkierung als zentrale Stellschraube definiert. Für die Airport City ist ein gesamtheitliches, zukunftsorientiertes Verkehrssystem unerlässlich. Das heutige «first come, first served»-Prinzip und die fehlende überkommunale Abstimmung im Bereich der Parkierung führt dazu, dass insbesondere bestehende Nutzungen zukünftig ihre Nutzungsreserven nicht mehr vollumfänglich oder nur eingeschränkt ausschöpfen können. Daher sollte ein Reglement für den gemeindeübergreifenden und funktional zusammenhängenden Perimeter der Airport City geschaffen werden. Eine Arbeitsgruppe aus den Verwaltungen Opfikons, Klotens und Rümlangs hatte zusammen mit den Fachberatern in Abstimmung mit dem Kanton das Parkplatzreglement erarbeitet. Basis waren drei Workshops, in denen das städtische Verkehrssystem und die Parkierung mit interessierten Politikern, Vertretern des Kantons, der Planungsgruppe Glattal und dem Grundeigentümerverein Airport City Zurich diskutiert wurde. Seitens der Stadt Opfikon nahmen am Workshop neben der Abteilung Bau und Infrastruktur auch Vertreter des Stadt- und Gemeinderats teil.
Im Reglement Airport City ist ein Mobilitätskonzept vorgesehen, wenn unter 50% des maximal massgeblichen Bedarfs gebaut wird oder ein Fahrtenmodell gilt. Die Zielerreichung ist periodisch nachzuweisen. Zuständig ist die jeweilige kommunale Bewilligungsbehörde.
Was, wenn in einem Wohngebiet zur Verdichtung zusätzliche Stockwerke gebaut werden? Hätte dies Einfluss auf die Anzahl bestehender Parkplätze oder würden die neuen Regeln nur für die neuen Wohnungen gelten?
Das Reglement gilt für Neu-, Um- beziehungsweise Ausbauten und Umnutzungen. Bestehende, rechtmässige Parkplätze bleiben grundsätzlich bestehen. Bei projektauslösenden Änderungen wird der Bedarf nach neuer Rechtsgrundlage berechnet. Ob sich die Anzahl der bestehenden Parkplätze effektiv ändert, ergibt sich aus dieser Neuberechnung.
Die Stadt will kulant sein, wenn es um die Beurteilung geht, ob bei einem bestimmten Bauvorhaben eine Neuberechnung der PP notwendig ist. Gilt diese Kulanz auch, wenn jemand rekurriert und das Vorhaben deswegen beurteilt werden muss? Und wer beurteilt das dann?
Wo ein Ermessensspielraum besteht beziehungsweise ob eine neue Parkplatzberechnung erforderlich ist, wird die Stadt Opfikon zu Gunsten der bestehenden Parkplätze beurteilen. Kommt es zu einem Rekurs, entscheidet die Rechtsmittelinstanz über Recht- und Zweckmässigkeit (Bezirksrat, Anm. d. Red.).
Warum gehört Neugut überhaupt zu Airport City? Wäre die Parkplatzverordnung nicht eher für ein Gewerbe-/Industriegebiet gedacht?
Der Perimeter Airport City ist eine gemeindeübergreifende Gebietsbezeichnung der Städte Opfikon und Kloten sowie der Gemeinde Rümlang. Er basiert auf den Arbeiten des Gebietsmanagements Airport-Region des Kantons Zürich.
Die Gegner behaupten, dass das Bauamt ein Interesse habe, dass die PPV genehmigt wird. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?
Der Auftrag geht aus der Entwicklungsplanung Airport City hervor. Das Verfahren war mehrstufig unter Einbezug des Kantons, der regionalen Planungsgruppe Glattal und Gemeinderat und wurde mit kantonaler Vorprüfung, öffentlicher Auflage ordentlich durchgeführt.
Und dazu, dass das Bauamt wegen dieses Interessenkonfliktes «irreführende Informationen, Falschaussagen» gemacht und sogar Amtspflichtverletzung begangen habe?
Uns sind diese Vorwürfe nicht bekannt. Die Städte Opfikon, Kloten und die Gemeinde Rümlang haben den Auftrag aus der Entwicklungsplanung Airport City ausgeführt und das Parkplatzreglement erarbeitet. Im Verfahren wurden die kantonalen Fachstellen mehrfach abgeholt und die Fragen im Bewilligungsverfahren immer wieder mit dem Amt für Verkehr gespiegelt. Es besteht kein Interessenkonflikt.
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