Zufall: unglaublich oder erklärbar?

Der «Tages-Anzeiger» vom 11. September berichtet unter dem Titel «Ein unglaublicher Zufall» von einer doch speziellen Begegnung. Da treffen sich zwei Frauen in Paris, die sich beide als Helferinnen bei den Paralympischen Spielen gemeldet haben, und stellen fest, dass der Vater der einen die Mutter der anderen vor sechzig Jahren in Innsbruck bei einem Eisschnelllauf kennengelernt hatte.

Man kann das schon einen «unglaublichen Zufall» nennen. Man kann es aber auch psychologisch erklären. Die Schicksalspsychologie spricht in so einem Fall von Genotropismus und meint damit die Tatsache, dass wir aufgrund unserer genetischen Konstitution gewisse Menschen sympathischer finden als andere. Wir treffen oft ganz unbewusst Entscheidungen, die wir erst nachträglich rational begründen. Bekannt ist: «Es war Liebe auf den ersten Blick.» Ich würde nicht gleich von Liebe reden, aber wenn es um Sympathie und Attraktivität geht, dann habe ich diese Erfahrung schon oft gemacht.

 

«Es ist eine Tat­sache, dass wir aufgrund unserer genetischen Kons­titution gewisse Menschen sympathischer finden als andere.»

Friedjung Jüttner, Dr. phil., Psychotherapeut

 

Von der Theorie wieder zurück zu den beiden Frauen in Paris. Der genetische Hintergrund, der schon bei den beiden Elternteilen in Innsbruck Sympathien entstehen liess, wurde an die beiden Töchter (eben genetisch) weitergegeben. Kein Wunder, dass deren Töchter gleich oder ähnlich empfinden, wenn sie sich begegnen. Der Zufall liegt dann höchstens in der Begegnung und weniger in dem, was die beiden Frauen für sich empfinden. Keinesfalls wäre er für mich unglaublich.

Diese Theorie, die ich hier angewendet habe, muss Ihnen nicht gefallen. Kein Zufall. Auch da spielt, so meine ich, der Genotropismus oder die genetisch bedingte gegenseitige Anziehung.