Was ist uns die Dienstleistung «Information» wert?

Roger Suter

Landauf, landab werden Druckereien geschlossen sowie grosse und kleine Zeitungen erst zusammengelegt, dann zugemacht. Journalismus rentiert nicht mehr. Braucht es ihn überhaupt? Und darf er etwas kosten?

Vergangene Woche hat die TX Group («Tages-Anzeiger») einen ziemlichen Kahlschlag angekündigt. Dabei werden nicht nur zwei von drei Druckereien geschlossen, sondern auch traditionsreiche Redaktionen vor allem in der Westschweiz «integriert» – ein harter Schlag für die Medienvielfalt in der Romandie. Lokal trifft es den Winterthurer «Land­boten» und den «Zürcher Unterländer».

Ob all dem Getöse ging eine grosse Veränderung in einem wesentlich klei­neren Medienhaus beinahe unter: Auch die Lokalinfo AG, welche unter anderem den «Stadt-Anzeiger» in Opfikon herausgibt, gibt vier Zeitungstitel in der Stadt Zürich auf (Beitrag auf Seite 14).

Unter beiden Vorhaben leidet vor allem die lokale Berichterstattung. «Das Quartier ist unser Revier», lautet der angestaubte, aber für uns beim «Stadt-Anzeiger» immer noch gültige Slogan. Wir gehen Quartiergeschichten nach und besuchen oft als Einzige Medienkonferenzen, auch wenn es keinen Skandal gibt und die Geschichten keine Klicksim Internet verheissen.

Kolleginnen anderer Medien werden hingegen an den Klicks gemessen. Sie nennen das «Klickdatur». Daher findet ein umgeleitetes Flugzeug derzeit mehr mediale Resonanz als eine Gemeinde­versammlung – vom Matchbericht des Fussballclubs ganz zu schweigen.

 

«Kolleginnen anderer Medien werden hingegen an den Klicks gemessen. Sie nennen das «Klickdatur.»

Roger Suter, Redaktor «Stadt-Anzeiger»

 

Wahr ist aber auch: Mit roten Zahlen überlebt kein Medium. Vielmehr müssen wir uns fragen, warum denn die Zahlen so rot sind. Erstens, weil Werbung (Abonnements waren immer der kleinere Teil der Einnahmen) in andere Kanäle abfliesst. Zweitens sind mit den Gratiszeitungen und den Online-Portalen, welche ihre Nachrichten gratis zusammenklauben und Nutzerdaten verkaufen, weniger Leute bereit, für die Dienstleistung ­«Information» zu bezahlen.

Mit «Klickdaturen» statt Journalismus als gesellschaftlichem Auftrag bleibt aber die Relevanz auf der Strecke: Entwicklungen, die sich korrigieren liessen, bevor es zu spät oder sehr teuer ist, Dinge, die uns interessieren sollten, bevor sie sich zum Skandal ausweiten (und nicht behoben, sondern vom nächsten abgelöst werden), aber auch die kleinen Freuden, an denen man sich angesichts der Weltlage halten möchte.

Ich masse mir nicht an, den Leuten zu sagen, was sie zu lesen, zu hören und zu sehen haben. Aber wer immer nur das serviert bekommt, was ihm gefällt oder er schon kennt (so halten uns Algo­rithmen bei der Stange), endet in einer Informationsblase. Wozu das führt, zeigt sich an verblendeten Wählern in den USA wie auch an denjenigen in Russland, die schon länger keine Wahl mehr haben.

Demokratie bedingt aber, dass man sich über Dinge informiert – auch ausserhalb der eigenen Infoblase. Wer hat sonst noch Interesse an einer funktionierenden Demokratie? Ganz klar die Gemeinden, und tatsächlich sorgten sie lange dafür, dass Medien neben Inseraten und Abos ein drittes Standbein hatten: bezahlte amtliche Anzeigen, die wenig anfällig für Wirtschaftskrisen sind. Seit jedoch diese Verpflichtung weggefallen ist, foutieren sich manche Gemeinwesen (Opfikon zum Glück nicht) um unab­hängige Informationen und sehen in einem Medium nur noch Kosten und Steuergelder – oder versuchen, die Redaktionen unter Druck zu setzen. Beides ist einer Demokratie nicht nur unwürdig, sondern abträglich.

Daran sollte man als Leserin, Abonnent, Inserentin und Politiker denken – nicht nur am 1. August.