Vorsätze zum Jahresbeginn

Eigentlich wollte ich Ihnen raten, keinen Vorsatz zum Jahresbeginn zu fassen. Dabei habe ich mich ertappt, dass ich gerade etwas tue, was gerade nicht zu tun ich mir vorgenommen habe. Nämlich: Keine Ratschläge zu geben. Genau genommen, ist das aber bereits ein Vorsatz. Man kommt offenbar an Vorsätzen nicht vorbei.

Die Begründung für das Vermeiden von Ratschlägen ist ganz einfach. Was für mich gilt, muss nicht für Sie gelten. Natürlich bilde ich mir ein, dass meine Meinung und meine Lebenserfahrung eigentlich jedem nützlich sein könnten. Das ist aber ein eitler Selbstbetrug. Also verkneife ich mir jetzt, Ihnen von Vorsätzen zum Jahresbeginn abzuraten. Ich will aber auch nicht das Gegenteil tun. 
Trotzdem verleitet so ein Jahresbeginn, darüber nachzudenken, was sich verändert hat in unserem Leben oder was sich noch verändern sollte. Die oben erwähnte Absicht, zu keinen Vorsätzen zu raten, hat natürlich mit mir zu tun. Das heisst, ich nehme mir möglichst nichts mehr vor. Was aber nicht heisst, dass ich wunschlos zufrieden wäre. Wünsche hätte ich viele, aber ich verzichte auf deren Erfüllung. Das ist keine asketische Tugendhaftigkeit, sondern das vorsichtige Vermeiden von Enttäuschungen, für den Fall, dass die Erfüllung meiner Wünsche ausbleibt. Und das tut sie ja meistens. Umso deprimierter bin ich zudem, wenn deren Nichterfüllung allein von mir abhängt. 

«Ich nehme mir möglichst nichts mehr vor. Was aber nicht heisst, dass ich wunschlos zufrieden wäre.»

Friedjung Jüttner, Dr. phil., Psychotherapeut


Die drei beliebtesten Vorsätze zum Jahresbeginn sind, laut Google: «Mehr Sport treiben, mehr Geld sparen, sich gesünder ernähren.» Sicher sehr gute Absichten. Die lösen bei mir aber keinen grossen Eifer aus, weil ich das schon seit Jahren zu beachten versuche. Das Programm der guten Vorsätze verändert sich nicht mehr gross. Das hat vermutlich damit zu tun, dass ich nicht zu den willensstarken Menschen gehöre, die pickelhart durchziehen, was sie sich vornehmen. Und das möchte ich auch nicht. Denn dann würde ich vieles verpassen, was meiner Lebensqualität guttut. 
Dafür versuche ich meine Zuversicht zu vertiefen, die mir hilft, alles, was auf mich zukommt und mir passiert, mit Gelassenheit entgegen zu nehmen.
Ich wünsche auch Ihnen viel Zuversicht für das begonnene Jahr.