Vielleicht
Das Wörtchen «vielleicht» hat es in sich. Ursprünglich meinte es «sehr leicht» (vil lihte). Inzwischen hat es seine Leichtigkeit verloren.
Wenigstens ich empfinde es so. Das deshalb, weil es eine Situation ins Unbestimmte versetzt. Damit meine ich Folgendes: Wenn ich frage: «Kommst du morgen?» Und die Antwort heisst: «Vielleicht.» Dann bin ich im Ungewissen. Eigentlich wäre mir «Ja» oder «Nein» lieber. Aber warum eigentlich? Warum ist mir ein Ja oder ein Nein lieber als ein Vielleicht? Offenbar deshalb, weil es Klarheit oder Bestimmtheit in eine Situation bringt. Das Vielleicht lässt offen. Und das wäre eigentlich auch nicht schlecht. Da gibt es aber einen kleinen Unterschied. Wenn ich mir mit dem Vielleicht verschiedene Möglichkeiten offenhalte, empfinde ich ein gewisses Freiheitsgefühl, weil ich ja wählen kann. Mein Gegenüber allerdings empfindet meine Freiheit als eine Beschränkung. Es weiss nicht, woran es ist. Soll es mit meinem Besuch rechnen oder nicht? Das Wort «vielleicht» verschafft also auf der einen Seite eine gewisse Freiheit, auf der anderen Seite engt es ein.
«Das Wort ‹vielleicht› verschafft also auf der einen Seite eine gewisse Freiheit, auf der anderen Seite engt es ein.»
In letzter Zeit befinde ich mich immer öfter auf der Seite der Eingeengten. Die Nachrichten und vor allem die Äusserungen gewisser Politiker sind fast ständig von einem Vielleicht begleitet. Je selbstsicherer sie auftreten, umso mehr muss man sich fragen: Was ist wohl wahr an ihrer Rede? Die Nachrichtensprecher warnen uns oft mit der Bemerkung: «Überprüfen lässt sich das nicht.» Wir müssen die Ungewissheit aushalten. Geschwindelt und getäuscht wurde eigentlich schon immer. Was aber zu denken gibt, ist die Unverfrorenheit, mit der das heute praktiziert wird.
Das Wort «vielleicht» hat aber noch eine ganz andere Bedeutung. Beispielsweise die Aufforderung «Könntest du mal pünktlich sein?» wird durch das Beifügen eines Vielleichts etwas verstärkt. Ich meine, sogar ironisch verstärkt: «Könntest du vielleicht mal pünktlich sein?»
Inzwischen könnten Sie als Leser sich auch fragen: «Kommt der vielleicht endlich mal zum Schluss?» Das mache ich sofort. Es kommt nämlich gar nicht so darauf an, wann und wo man Schluss macht. Denn ein weiser Kopf hat gesagt: «Jedes Ende ist ein neuer Anfang.» Ob das stimmt? Vielleicht!