Sek Halden im «Carrousel du Louvre»
Die Werke eines Kunstprojekts der Sekundarschule Halden wurden im weltberühmten Louvre ausgestellt – und fanden grossen Anklang. Das macht die Beteiligten nicht nur stolz, es eröffnet auch neue Möglichkeiten, wenn es heisst: «Halden? Das sind doch die, welche in Paris ausgestellt haben.»
Das Opfiker Sekundarschulhaus Halden ist nicht nur eines derjenigen mit dem höchsten Anteil an fremdsprachigen Schülerinnen und Schülern – zu Hause werden 35 verschiedene Sprachen gesprochen –, sondern auch eine von sechs Zürcher «Schulen mit Kunst und Kultur im Profil». Unterstützt und überprüft vom Volksschulamt und von der Fachstelle Schule + Kultur des Kantons sowie mit eigenen Mitteln, vermittelt sie neben dem klassischen Schulstoff auch künstlerisches Wissen und ebensolche Fertigkeiten.
Diesen Herbst erreichte das Projekt einen vorläufigen Höhepunkt: Die Selbstporträts von 32 Schülerinnen und Schülern wurden im Pariser Carrousel du Louvre ausgestellt. Anlass war der «Salon international d’art contemporain», eine internationale Ausstellung für zeitgenössische Kunst vom 18. bis 20. Oktober mit 80 Teilnehmenden aus aller Welt.
«Ziel ist, dass wir die Kinder zeigen, was sie können und wer sie sind», sagt Klassenlehrerin und Projektleiterin Emelie Roulston-Klein. «Dass sie sich als heranwachsende Menschen im besten Licht zeigen können. Wir wollen aber auch zeigen, dass wir stolz auf sie sind – denn sind wir stolz auf sie, sind sie auch stolz auf sich selbst.»
Zu Beginn hätten die Kinder ihr nicht geglaubt, dass sie im selben Kunstmuseum, wo Leonardo da Vincis berühmte «Mona Lisa» hängt, ausstellen würden, erinnert sich Emelie Roulston-Klein, «und auch die Kolleginnen und Kollegen nicht». Tatsächlich fand die Ausstellung unter der bekannten Glaspyramide im Innenhof des Palastes statt.
Kinderbilder mit grosser Wirkung
Schon die Vorbereitung habe viel Freude gemacht, versichert Emelie Roulston-Klein. «Ganz besonders vor Ort, im Carrousel du Louvre, wo wir zu dritt zwischen 15 und 20 Uhr sämtliche Bilder auf den Regalbrettern platzierten, die wir vorher selbst hatten aufbauen müssen.» Auch die Leute vor Ort seien begeistert gewesen von dieser authentischen, ehrlichen Kunst. Der Ehemann einer Botschafterin fand, diese fantastischen Gemälde seien die besten in dieser ganzen Ausstellung. «Die Wirkung der Kinderbilder auf die Leute, wie sie damit Selfies gemacht haben – damit haben wir überhaupt nicht gerechnet.» Und nicht nur die Kinder, auch deren Eltern seien unglaublich stolz. Der Aufwand, der Stress, das Schwitzen habe sich gelohnt. «Ab der Eröffnung haben wir nur noch Interviews gegeben», erinnert sich Schulleiterin Andrea Herrmann, die zusammen mit dem Französischlehrer Michael Griesser und der Initiatorin Emelie Roulston-Klein nach Paris reiste. «Es war verrückt. Andere mussten uns ermahnen, auch mal etwas zu essen, wir hatten gar keine Zeit.»
Nach den Sommerferien hatten sich die Schülerinnen und Schüler mit Kunst und insbesondere mit dem Expressionismus und seinen alten Meistern – international und aus der Schweiz – auseinandergesetzt. Das Thema der Pariser Ausstellung lautete «Faces of us», («Unsere Gesichter») und legte den Schwerpunkt auf Kinder. Dabei beschränkte sich das vierwöchige Thema im 1. Sekundarjahr der Schule Halden nicht nur auf das Fach bildnerisches Gestalten: «Porträtieren passt zu dieser Altersgruppe», findet Emelie Roulston-Klein. «Die Kinder zwischen 13 und 15 sind grad mit sich beschäftigt: Wer bin ich? Welche Interessen habe ich? Daraus sollen dann natürlich auch die Berufsinteressen entstehen.» Ein künstlerischer Auftrag war, seine Gefühle durch die Farben darzustellen – womit auch eindrückliche Biografien entstanden, aus denen die jungen Künstlerinnen und Künstler dann ihr Ausstellungsstück aussuchen konnten. Dieses wurde dann noch mit schwarzen Rahmen leicht abstrahiert, auf Leinwand gedruckt und so ausgestellt.
«Schlechtes» Werk fand Käufer
Die jungen Künstlerinnen und Künstler waren in der französischen Hauptstadt nicht selbst dabei. Gross war die Überraschung aber, dass zwei Bilder verkauft werden konnten – eines gemalt von einem Schüler, der eigentlich gar nicht mitmachen wollte: «Er war schüchtern und dachte, er könne nicht malen», so Emelie Roulston-Klein. Die meisten Mitschülerinnen und Mitschüler hatten eher klassische Selbstporträts gemalt, bei ihm waren mehrere abstrakte Gesichter zu entdecken. Das habe die Aufmerksamkeit angezogen. «Schulkolleginnen, aber auch Besucher hat es an Picasso erinnert», erzählt Emelie Roulston-Klein, «andere an ‹Transformers›. Das Bild hat die Fantasie vieler angeregt.»
Und der Moment, als der Schüler vor der Klasse den Erlös des Bildes – 100 Franken – überreicht bekam, war unbezahlbar. «Er wird wohl ein Leben lang davon sprechen», ist sich Emelie Roulston-Klein sicher, «und die Schule Halden gut in Erinnerung behalten.» Die Klasse als Ganzes habe daraus gelernt, dass es keine allgemein gültige Vorstellung von schöner Kunst gibt. Nicht das präziseste Gemälde wurde verkauft, sondern das aussagekräftigste, «und das hat die Meinung vieler auf den Kopf gestellt».
Als Französischlehrer interessiert Michael Griesser neben der Kunst auch die «doppelte Horizonterweiterung» für die Schülerinnen und Schüler, wenn sie dereinst nach Frankreich reisen und ihre Bilder vielleicht an einem anderen Ausstellungsort anschauen können. «Das sind für mich die schönsten Momente im Schuljahr, wenn ich mit einer Klasse nur schon nach Neuchâtel fahre», so Michael Griesser. «Die Leute um sie herum sprechen alle französisch, und sie können sich verständigen.» Deshalb seien die neu geknüpften Kontakte nach Frankreich sehr wertvoll, etwa zum Briefeschreiben mit einer Partnerschule («wir auf Französisch, die andere Klasse auf Deutsch») und vielleicht mal zum gegenseitigen Besuch. So etwas motiviere die Kinder ungemein, nicht nur für gute Noten zu lernen, sondern etwas über ein Land zu erfahren. «Oder auch die Erkenntnis eines hoffnungsvollen Fussball-Juniors: ‹Wenn es halt mit Real Madrid nicht klappt, kann ich zu Paris Saint-Germain.›»
Ein Zertifikat und Selbstvertrauen
Das übergreifende Projekt für kulturelle Bildung und Schulentwicklung wird von mehreren Kantonen – darunter Zürich – unterstützt. Langfristig soll das erste umgesetzte Kunstprojekt «Carrousel du Louvre» weitere Vorhaben anstossen, auch durch Kontakte mit Frankreich – mit der Sprache. Denn fürs kommende Jahr sind weitere Kunstprojekte zusammen mit dem Kulturagenten Mariano Gaich von Kulturagent*innen Schweiz geplant. Emelie Roulston-Klein führt aus, «dass das Gesamtmotto ‹Kunst und Natur› lautet, und ‹wir› mehr Zeit in der Natur verbringen werden, um so die Empathie dafür zu entwickeln». Auch das Medium Film soll mit einem selbst gedrehten Dokumentarfilm behandelt werden. «Das erneut mit dem Ziel, dass die Kinder ihre Werke veröffentlichen können», sagt Emelie Roulston-Klein. «Die Kinder sollen ihre Präsenz durch die Kunst vermitteln können und so Mut entwickeln, der vorher so nicht vorhanden war», erläutert die Lehrerin. «Und vielleicht wirkt sich das auch auf deren berufliche Zukunft aus, wenn sie ihren Bewerbungsunterlagen nicht nur ein eigens ausgestelltes Zertifikat beilegen können, sondern es in der Lehrfirma dann heisst: ‹Du, die Halden-Schüler, das sind doch die, welche in Paris ausgestellt haben!›»
Informationen und alle Bilder: https://kulturagent-innen.ch/de/aktuell