Orte der Stille – überflüssig oder überlebenswichtig?

Beat Gossauer

Unser Alltag ist oft schnell getaktet und voller Aktivität. Da passen Kirchen als Orte der Stille nicht hinein. Braucht es sie also nicht mehr?

Kinder rennen um das Kirchgemeindehaus; ich vernehme ihre fröhlichen Rufe. Auf trendigen Electro-Scooters brausen lautlos Jugendliche vorbei; für einen Moment halten sie an und setzen sich auf die Bank vor dem Eingang. Klein und Gross kommen zu den Obstbäumen; einige suchen Schatten, andere versuchen, ein paar der dunkelroten Kirschen zu pflücken. In der Kirche bleibt es still und leer. Kaum jemand tritt ein und lässt die Stille auf sich wirken.

Solche Orte der Stille werden immer seltener. Sind sie nicht gar überflüssig geworden? Passen sie überhaupt noch in unseren hektischen Alltag? Wir sind mobil und ständig unterwegs, das Handy stets vor Augen oder griffbereit in der Hosentasche. Nur keine Whatsapp-Nachricht verpassen! Oder noch schnell einen Blick auf die Wetter-App. Oder ich mache ein Selfie und poste es auf meiner Lieblingsplattform. Und schau mir gleich noch die neusten Video-Clips an und verteile ein paar Likes. Auch auf dem Heimweg im Zug oder im Bus bin ich stets online. Immer auf dem Laufenden über News und Trends. Und zwischendurch immer mal etwas zum Schmunzeln oder Lachen.

Stets online, stets auf dem Laufenden, stets mit der Welt in Kontakt – aber auch stets ruhelos, stets unter Druck. Nicht alle kommen gleich gut damit zurecht. Vor allem Jugendliche leiden vermehrt unter psychischem Stress. Orte und Zeiten der Stille werden plötzlich überlebenswichtig. Zum Beispiel ein täglicher Spaziergang der Glatt entlang oder im Wald. Oder der Besuch einer Kirche, einer Moschee, eines Tempels. Orte der Stille lassen sich auch im Einkaufszentrum «Glatt» oder im Flughafen finden. Es sind Oasen: Orte, die einladen zum Innehalten und Meditieren.

Beat Gossauer, Pfarrer der Reformierten Kirche Kanton Zürich

Ort der Stille: das Freitagsgebet «Amazing Grace»

Einmal im Monat um 18 Uhr in der reformierten Kirche Opfikon. Nach der Arbeit eine halbe Stunde mit Gelegenheit zu stillem Gebet, mit Kerzen und Klaviermusik. Anschliessend sind alle zu einem Imbiss eingeladen.

Daten: 30. August, 4. Oktober, 1. und 29. November 2024.