Latte macchiato statt «Züri retour»

Roger Suter

Am 14. Juni kehrt wieder mehr Leben im Bahnhof Glattbrugg ein: Im früheren Schalterraum der SBB eröffnen zwei Jungunternehmer ein Café mit gepflegter kalter Küche und langen Öffnungszeiten.

Es waren immer weniger Menschen, die am Bahnhofplatz 1 in Glattbrugg ein und aus gingen: Die Automaten und natürlich der Online-Verkauf via Smartphone machten den Schalter, an dem die SBB ­Billette verkauften, überflüssig. Seit Juni 2019 ist Glattbrugg – abgesehen vom hier stationierten Rangierpersonal fürs nahe Tanklager – ein Geisterbahnhof wie Hunderte weitere.

Das soll sich nun ändern. Der 29-jährige Gastronom Art Kojovca will hier, direkt an den Pendlerströmen, ein Café eröffnen. Er ist in Pfungen aufgewachsen und hat eine Laufbahn in der Gastronomie eingeschlagen: Er ist gelernter Koch, Bartender und Barista, war zuletzt Geschäftsführer einer Bar am Zürcher ­Limmatquai und würde sich selbst als «Allrounder» bezeichnen.

Als vor einem guten Jahr ein langjähriger Freund mit dieser Idee auf ihn zukam, schlug er ein, und die im August 2023 gegründete Arb & Art AG begann mit der Planung.

Buntes Ambiente und Angebot

Diese gestaltete sich ziemlich anspruchsvoll, denn es braucht einiges an Umbauten, um aus dem nüchternen Schalterraum einen schönen Ort zum Verweilen zu machen: Neben WC-Räumen für die bis zu 70 Gäste und Personal, einem Lagerraum und der ganzen Gastro- und Klimatechnik entstehen in diesen Tagen die Bar und die übrige Innenausstattung, wobei Art Kojovca auf ausgewählte Farben setzt.

Geplant ist ebenso eine bunte Palette an Getränken und kleinen Speisen, die je nach Tageszeit wechseln: Morgens gibt es einen Kaffeeplausch, mittags «Smoothie Bowls» («hausgemachte, bunte Müesli, die auch optisch ansprechend sind», verspricht Art Kojovca), spezielle Salate sowie Käse- und Fleischplatten zum «Snacken», zum Dessert Tiramisù und andere Süssigkeiten. «Abgesehen von Toasts können wir leider aus baulichen Gründen keine warme Küche anbieten», bedauert der Gastronom, dafür werde alles andere frisch zubereitet. An der Bar gemixt werden die klassischen Cocktails von Bloody Mary bis Whisky Sour, zum Apéro die beliebten Hugos und Spritz.

Lange Öffnungszeiten

Das Angebot richtet sich nicht nur an Bahnreisende, die sich auf dem Weg zur Arbeit stärken, auf dem Heimweg den Feierabend einläuten oder sich nach dem Ausgang einen Schlummertrunk gönnen wollen. «Wir hoffen natürlich auch auf Gäste aus Opfikon und Glattbrugg sowie von auswärts – gut erschlossen sind wir ja.»

USB-Buchsen an der Bar erlauben es, beim «Käfelen» auch noch das Handy zu laden; Lounges und Sitzplätze an den grossen Fenstern laden auch zum Verweilen ein. Wie es sich für einen Bahnhof mit täglich 6500 Reisenden gehört, sind auch die Öffnungszeiten des Cafés ausgesprochen lang: montags bis donnerstags von 6 bis 23 Uhr, freitags von 6 bis 1 Uhr nachts, samstags von 8 bis 1 Uhr nachts und sonntags von 8 bis 22 Uhr. Die entsprechenden Arbeitsverträge mit den vier Mitarbeitenden sind bereits seit April abgeschlossen.

Überzeugungsarbeit trägt Früchte

Den Start ihres Café-Abenteuers haben die beiden jungen Unternehmer – nicht ganz zufällig – auf den 14. Juni gelegt: den Tag, an dem in München die Fussball-Europameisterschaft eröffnet wird. Zu diesem Zweck soll ein Beamer ab 21 Uhr das Spiel von Gastgeber Deutschland gegen Schottland auf eine grosse Leinwand übertragen – und natürlich auch die weiteren Matches.

Obwohl die SBB als eine der grössten Grundstückbesitzerinnen der Schweiz inzwischen auch eine eigene Immobilienabteilung umfassen, war die Miete des ehemaligen Schalterraumes nicht ganz einfach, erinnert sich Art Kojovca, der etliche Male zwischen den Standorten in Zürich-Altstetten und Luzern pendelte und Werbung machte. «Es gab mehrere Bewerbungen für das Lokal.»

Das Gastro-Konzept der zwei Freunde habe offenbar am meisten überzeugt. Und wenn es funktioniert, soll es nicht das einzige «Aa»-Café bleiben: Die beiden haben schon weitere Bahnhöfe im Visier, deren Schalterräumen sie neues Leben einhauchen wollen, verrät Art Kojovca. «Ich freue mich, etwas auszuprobieren und zu erreichen.»