Kultur leben heisst auch Feste feiern

Roger Suter

Kultur sind nicht nur Opern auf grossen Bühnen, Statuen in Marmor und Stillleben in Ölmalerei. Es sind auch die lokalen Anlässe, Bräuche, Traditionen und Feste, welche die Menschen zusammenbringen.

Was ist Kultur? «Meyers grosses Taschenlexikon» widmet dem Begriff fast eine halbe Buchseite Platz: Es beginnt mit dem lateinischen «cultura», dem Bearbeiten des Ackers, und schliesst damit, dass der Kulturbegriff (…) die Summe der als typisch feststellbaren Lebensformen einer Bevölkerung sei.

Die Arbeitsgruppe Neujahrsblätter hat für die Ausgabe 2025 36 solcher Lebensformen herausgepickt und deren 7 genauer vorgestellt: Begonnen hat sie das 20-seitige Heft mit ihrem eigenen Beitrag zur Opfiker Kultur, den Neujahrsblättern (siehe Kasten), die sie seit 1986 jedes Jahr herausgibt. Es folgt das Treberfest, welches die Rebberg-Genossenschaft und der Kochklub «Glattchuchi» jeweils im Februar (dieses Jahr am 1. Februar) ausrichten.

«Jazz am See» zieht jedes Jahr Ende Juni Musikbegeisterte vieler Stilrichtungen an und ist gleichzeitig Aushängeschild und Sommer-Treffpunkt des Neubauquartiers Glattpark. Volksmusikalisch geht es jeweils «i dä Schüür» zu, wo der Dorfverein Opfikon 2019 die erste «Stubete» ausrichtete und wofür zwei Opfiker Bauern jeweils ihre Maschinenhalle ausräumen. Zurück im Glattpark, lädt jeweils im September das Food-Festival ein, die Vielfalt in Opfiker Küchen kennenzulernen: Viele Standbetreiberinnen und -betreiber sind nämlich keine Gastro-Profis, sondern einfach Einwohner dieser multikulturellen Stadt.

Relativ neu ist das Hundeschwimmen im Freizeitbad, das 2021 erstmals stattfand: Einmal im Jahr soll auch der beste Freund des Menschen hier planschen können. Dazu wird nach Saisonschluss Mitte September der Chlorzusatz weggelassen, damit sich inzwischen über 600 Hunde und doppelt so viele Begleitpersonen gefahrlos im Wasser tummeln können. Die Idee hat inzwischen schweizweit Nachahmer gefunden. Die älteste gelebte Tradition kommt dann ganz am Schluss: der Liechtlichlaus, der immer am 6. Dezember mit seinem leuchtenden Kopfschmuck durchs Dorf (und nur durchs Dorf) zieht. Vor 130 Jahren von zwei Handwerkern ins Leben ­gerufen, wurde er lange Jahre von den ältesten Schülerinnen und Schülern fortgeführt. Inzwischen hilft auch eine eigens gegründete Interessengemeinschaft mit, doch wer sich jeweils hinter der Maske verbirgt, bleibt ein Geheimnis.

Austausch fürs Zusammenleben

«Wir wollten etwas altes, etwas neues und etwas dazwischen», sagte Stefania Baio-Melillo, Präsidentin der Arbeitsgruppe, an der Vernissage vergangenen Donnerstag, die erstmals in der Stadtbibliothek stattfand. Stadtpräsident Roman Schmid, zu dessen Ressort die Bibliothek zählt, lobte diese als sehr wichtige Bildungs- und Kulturinstitution. «Ich hatte das Glück, hier in Opfikon aufzuwachsen, und ging schon als Bub immer wieder hin», erzählte der heutige Familienvater und ergänzte: «Bücher sind wichtig fürs Verstehen.» Das meinte er nicht nur sprachlich, sondern auch kulturell: Denn nur mit Austausch klappe das Zusammenleben im vielfältigen Opfikon.

Darum kümmert sich unter anderem die Kulturkommission, der er vorsteht. Hier entstand die Idee der Strassenfeste, welche im laufenden Jahr umgesetzt wird – und von denen sich vielleicht das eine oder andere dereinst in den Reigen der Opfiker Feste einreihen wird.

Erhältlich im Stadthaus, in der Stadtbibliothek, in der reformierten und der katholischen Kirche, im Freizeitbad, im Alterszentrum Gibeleich und im Tertianum Bubenholz. www.opfikon.ch/neujahrsblatt

Warum gibt es eigentlich Neujahrsblätter?

Die Tradition der Neujahrsblätter geht zurück auf die kulturellen und gemeinnützigen Gesellschaften des 17. Jahrhunderts. Sie forderten für die kalten Wintermonate von ihren Mitgliedern jeweils Holz zum Heizen ein. Kinder brachten die «Bürdeli» jeweils am Berchtoldstag, dem 2. Januar, zur «Stubehitzete» mit und erhielten dafür Wein und Süssigkeiten. Weil ihnen beides nicht bekommt, erstellte die Zürcher Stadtbibliothek ab 1645 stattdessen ein Gedenkblatt, welches zu Beginn vor allem Zeichnungen in Form von Kupferstichen enthielt, später auch pädagogisch ausgerichtete Texte.

Opfikon knüpfte 1986 als eine der ersten Gemeinden schweizweit an diesen Brauch an und verfasst jedes Jahr ein Heft zu historischen und neuzeitlichen Themen sowie eine Chronik des vergangenen Jahres.