Kloten leidet für die ganze Welt

Daniel Jaggi

Auch dieses Jahr wieder ist Kloten im Würgegriff des Japankäfers. Bei einer Online-Information wurde klar: Der Bund will 

die Population in Kloten unter allen Umständen ausrotten.

Wie eine Schockwelle hat sich letztes Jahr die Nachricht über den Fund eines Japankäfers in Kloten durch die behördlichen Instanzen der Stadt, des Kantons und des Bundes gewälzt. «Wir sind damals auf dem linken Fuss erwischt worden», sagt Marco Pezzatti. «Dieses Jahr sind wir besser vorbereitet», so der Chef des Amtes für Landschaft und Natur des Kantons. Aus seinen Ausführungen wurde auch klar, dass «es eine längere Geschichte» werden könnte, was der Vertreter des Bundes in der Online-Orientierung für die Klotener Bevölkerung nicht bestätigen wollte. ­Peter Kupferschmied, Co-Leiter des Eid­genössischen Pflanzenschutzdienstes, blieb auf eine entsprechende Frage lieber diffus.

Wesentlich deutlicher äusserte er sich zum Ziel der Massnahmen: die totale Vernichtung der Klotener Population. «Breitet sich der Japankäfer bis auf das Flughafengelände aus, so besteht die Gefahr, dass er in alle Welt weiterverschleppt wird.» Man müsste sehr kostspielige Massnahmen dagegen ergreifen. Aber wo steht man unmittelbar vor dem Schlüpfen der nächsten Population, die für ­Anfang Juni erwartet wird? Wie Marco Pezzatti ausführte, seien die im letzten Sommer und im letzten Herbst erfolgten Massnahmen erfolgreich gewesen. «Wir haben danach beinahe keine Käfer mehr in den Fallen gefunden.» Insgesamt habe man letztes Jahr 150 Käfer gefunden, sagte Fiona Eyer. Die Expertin der Fachstelle für Pflanzenschutz des Kantons Zürich geht aber davon aus, dass deutlich mehr Insekten geflogen sind.

Larven bei Stichproben gefunden

Wie erfolgreich die Massnahmen wirklich gewesen waren, wird sich erst in einigen Wochen zeigen, wenn die Tiere aus dem Boden kriechen. «Bei Stichproben auf dem Fussballplatz haben wir einzelne Larven gefunden», so Pezzatti. Auch der Vertreter des Kantons erinnerte daran, dass die Auswirkungen gravierend sein könnten, insbesondere für die Landwirtschaft und die Gemüseproduzenten. «Dazu müssen wir wissen, dass der Kanton Zürich der fünftgrösste ­Agrarkanton ist, bei den Spezialitäten wie Steinobst, Beeren und Weintrauben steht er sogar an dritter Stelle.» Und eben Letztere stünden beim Japankäfer zuoberst auf dem Speiseplan. «Er macht vor sehr, sehr wenig Halt», betonte Kupferschmied, der ander Online-Orientierung von finanziellen Schäden sprach, die 100 Millionen erreichen könnten.

An der Ausgangslage hat sich also nicht viel geändert: Nach wie vor gilt die Gemeinde Kloten als befallen und ist in der Karte tiefrot eingezeichnet. Die Pufferzone um Kloten betrifft 26 Gemeinden, darunter Opfikon. Und wie letztes Jahr muss der Kanton im Auftrag des Bundes zahlreiche Massnahmen umsetzen. «Wir haben ­dabei verschiedene Punkte im Lebens­zyklus der Käfer, in die wir eingreifen», erläuterte Fiona Eyer.

Am Dienstag wurden die Klotener Fussballplätze Stighag mit Plastikfolie abgedeckt. Ziel sei es dabei, so Eyer weiter, den Larven die Nahrungsgrundlage zu entziehen, den Käfer am Ausfliegen zu hindern und die Möglichkeit einer erneuten Eiablage zu verhindern. Diese Massnahmen würden ergriffen, weil die stete Bewässerung der Fussballplätze dem Japankäfer letztes Jahr beste Möglichkeiten zur Eiablage geboten habe. Eyer: «Das haben wir damals so noch nicht gewusst.»

Ab Beginn der Flugzeit werden die bereits aufgestellten und eingezäunten Holzfallen mit einem Lockstoff versehen, und das darüber befindliche Moskitonetz wird mit einem Insektizid behandelt. «Nimmt der Käfer die Substanz auf, stirbt er.»

Ab dem ersten Fang eines Japankäfers gilt in Kloten zudem ein Bewässerungsverbot, allerdings nur für Rasen- und Grünflächen. «Davon ausgenommen sind Blumen- und Gemüsebeete, wenn sie frei von Gras sind», so Eyer, die anfügt: «Achten Sie darauf, dass es wirklich kein Gras hat, denn die Tierchen sind schlau und legen die Eier dort ab, wo die Larven auch Nahrung finden werden.» 

Verschleppung verhindern

Sobald die ersten Käfer gefunden werden, gilt erneut das Verbot, Grüngut ausserhalb der Gemeinde zu entsorgen. «So verhindern wir eine Verschleppung des Käfers.» Das Grüngut soll der städtischen Abfuhr mitgegeben werden. Eyer: «Sie wissen, wie damit umzugehen ist.»
Obwohl allerorts ein Bewässerungsverbot gelten wird, will der Kanton in der Nähe der Fussballplätze ein gut bewässertes Grundstück bereitstellen. Dies werde kurz gehalten, damit der Käfer gut landen könne. «Damit locken wir den Japankäfer gezielt auf diese Fläche», so die ­Expertin. Diese Massnahme verhindere, dass das Insekt in ganz Kloten und eventuell ausserhalb nach guten Eiablage­orten suche. Im Herbst dann wird das Grundstück mechanisch bearbeitet, und zusätzlich sollen darauf Fadenwürmer ausgebracht werden, die die Larven töten.

Ein Insektizid-Einsatz ist derzeit nicht vorgesehen. «Er steht nicht im Vordergrund, ist aber nicht ausgeschlossen», so Eyer. Darüber entscheiden wird der Bund voraussichtlich im Juli aufgrund wissenschaftlicher Einschätzungen. Eyer: «Diese Massnahme wird nur durchgeführt, wenn sie auch entscheidend zur Tilgung des Käfers beiträgt.» Und im Herbst ist denkbar, dass erneut Fadenwürmer ausgebracht werden. «Wir betrachten es als eine gute Massnahme», so Eyer, die der Bevölkerung gleichzeitig für die letztjährige Unterstützung dankte. «Sie hat uns sehr geholfen.» Der Entscheid, ob Fadenwürmer wieder ausgebracht werden, soll im Juli gefällt werden, die Bevölkerung soll anschliessend mit einem Flugblatt informiert werden.

Stadt fühlt sich im Stich gelassen

Die Aufwendungen des Kantons belaufen sich für das letzte Jahr auf rund 580 000 Franken, die vom Bund übernommen werden. Der Klotener Stadtpräsident René Huber rechnet mit Schäden von rund einer Million, für welche die Stadt selbst aufkommen muss. Eine Anfrage um finanzielle Unterstützung beim Kanton wurde abschlägig beantwortet. «Vom Bund hab ich bis heute nichts gehört», so Huber, der resigniert anfügte: «Wir können gar nicht mitreden, müssen die Situation einfach erdulden.»  Vor allem bezüglich der finanziellen Entschädigung fühle sich die Stadt im Stich gelassen. Nicht im Stich lassen will man den FC, aber: «Auch wir können keine Wunder vollbringen.» Daniel Jaggi