Ja oder Nein

Friedjung Jüttner

Welches dieser beiden Wörter haben Sie lieber? Ich vermute, auch für Sie klingt das Ja irgendwie sympathischer als das Nein.

Vielleicht hat das Nein deshalb etwas Negatives an sich, weil es uns an die eigene Trotzphase oder die unserer Kinder erinnert, in der das Nein eine grosse Rolle spielte und mit viel Ärger verbunden war. Auch wenn wir heute wissen, dass diese Trotzphase in der Entwicklung des Kindes eine unverzichtbare Bedeutung hat, irgendwie bleibt an dem Nein etwas Unangenehmes hängen. Hinzu kommt auch noch, dass uns Leute auf den Wecker gehen, die ständig Nein sagen. Menschen, die Ja sagen und möglichst rasch auf unsere Wünsche eingehen, sind uns viel lieber. So ist es gut nachvollziehbar, dass die beiden Wörter Ja und Nein ganz verschiedene Gefühle bei uns auslösen.

Trotzdem möchte ich jetzt dem Nein eine Bresche schlagen, weil es doch bedeutsamer ist, als man so gemeinhin annimmt. Mir wurde das zum ersten Mal bei einem meiner Lehrer klar, der behauptete: «Nicht das Ja-, sondern das Neinsagenkönnen mache einen Menschen weise.» Er begründete das auch ganz allgemein: «Weisheit und menschliche Reife bestehe darin, im richtigen Moment zur richtigen Sache im richtigen Masse, Nein sagen zu können.» Eine bedenkenswerte Aussage.

Zu meiner freudigen Überraschung bin ich kürzlich auf ein Zitat gestossen, dass nicht nur in dieselbe Richtung weist, sondern sie noch ergänzt. Es stammt von Nicolas Chamfort, einem Philosophen der Aufklärungszeit (gest. 1794), der sagte: «Die Fähigkeit, Nein zu sagen, ist der erste Schritt zur Freiheit.» Dieses Zitat gefällt mir noch mehr als dasjenige meines damaligen Lehrers. Denn, unter Freiheit kann ich mir mehr vorstellen als unter Weisheit. Oder anders gesagt: Freiheit ist mir erlebnismässig näher als Weisheit.

Vielleicht ist es nicht erstaunlich, dass wir schon als Kinder mit drei oder vier Jahren die Fähigkeit einüben konnten oder mussten, später einmal Entscheidungen für unsere Freiheit treffen zu können. Und das mit einem einfachen Nein.

«Irgendwie bleibt an dem Nein etwas Unangenehmes hängen.»

Friedjung Jüttner Dr. phil., Psychotherapeut