Im Alter jung bleiben

Friedjung Jüttner

Geht das überhaupt: Im Alter jung bleiben? Und wenn es geht, ist es dann erstrebenswert?

Sie sehen, ich setze da Fragezeichen. Die zweite Frage wäre ohnehin überflüssig, wenn man die erste verneint. Das scheint aber nicht ganz klar zu sein, sonst würde man das Alter mit dem Jungsein nicht in Verbindung bringen. Und das mit der Absicht, jemandem ein Kompliment zu machen.

Aber, was soll daran gut sein, wenn jemand noch etwas Jugend in sein Alter hinübergerettet hat? Natürlich nur dann, wenn Jungsein besser ist als Altsein. Aber ist das wirklich so? Für einige wenige Mitmenschen mag es zutreffen; sie laufen aber dafür Gefahr, belächelt zu werden, wenn sie krampfhaft ihr Alter zu verbergen versuchen. Aber für die meisten, die ich kenne, trifft es nicht zu. Denn jedes Alter hat seinen Wert. Wer alt ist, darf auch alt sein und altern.

«Aber, was soll daran gut sein, wenn jemand noch etwas Jugend in sein Alter hinübergerettet hat?»

Friedjung Jüttner, Dr. phil., Psychotherapeut

Es ist auch gar nicht so klar, woran das gemessen wird, wenn jemand im Alter jung geblieben sein soll. Am Körper, also an der Biologie dürfte es kaum liegen. Denn die Jahre hinterlassen ihre Spuren. Bleiben nur noch die seelischen und geistigen Fähigkeiten, die beim einen etwas schneller altern als bei einem anderen. Und altern heisst da nachlassen oder schwächer werden. Ich denke da besonders an unser Gedächtnis. Wenn das schwächelt, stört uns das. Dass unsere körperlichen Kräfte oder die Schnelligkeit schon lange nachgelassen haben, registrieren wir weitaus gelassener. Ich glaube auch zu wissen, warum. Es könnte eine unterschwellige Angst vor einer möglichen Demenz mitspielen. Und wenn jemand noch etwas kann, was an seine Jugend erinnert, er also jung geblieben ist, ist das wie ein Kompliment: Er hat dem Alter getrotzt.

Es mag durchaus ein berechtigtes Lob sein, aber ich finde es schade, wenn es auf Kosten des Alters geht. Das Alter hat seinen eigenen Wert, den ich hier verteidige. Das vermutlich deshalb, weil ich selber mitten im Alter stehe. Von meiner Jugend habe ich Abschied genommen – bilde ich mir wenigstens ein. Ich bin da vorsichtig, wenn es um Altersweisheit geht. Denn: «Mit dem Alter kommt Weisheit, aber manchmal kommt das Alter allein.»