Heimat ist ein ganz besonderes Gefühl
Im Rahmen der 1.‑August-Feierlichkeiten gab es in Opfikon nach dem traditionellen zünftigen «Zopf-Zmorge» einen ökumenischen Zelt-Festgottesdienst mit der Pfarrerin Corina Neher und dem Theologen Mathias Burkart.
Der Wettergott ist den 1.‑August-Feierlichkeiten in Opfikon anscheinend nicht gut gesinnt. Nachdem im Jahr 2020 die Festivitäten der Coronapandemie zum Opfer fielen und im darauf folgenden Jahr die Wetteraussichten so schlecht waren, dass zahlreiche Gemeinden die Feierlichkeiten bereits im Vorfeld absagten, war es im Jahr 2022 so trocken, dass das Höhenfeuer nicht entzündet werden durfte. Im letzten Jahr gab es dann zeitweise wieder starken Regen und heftige Windböen.
Obwohl am Vormittag des diesjährigen Nationalfeiertags Petrus wieder seine Himmelsschleusen öffnete, kamen rund 100 Besucher trotz heftigen Regengüssen mit Blitz und Donner zum traditionellen «Zopf-Zmorge». Nachdem der Frauenchor den feinen Zopf serviert hatte, lud Pfarrerin Corina Neher von der reformierten Kirche Opfikon die Besucher zum Festgottesdienst ein, um vom Alltagsgeschehen etwas zur Ruhe zu kommen und neue Kraft für weitere Herausforderungen zu tanken.
«Was ist Heimat für uns, und was trägt dazu bei, dass wir uns irgendwo heimisch fühlen?», fragte die reformierte Pfarrerin. Ist es die Umgebung, die Sprache, etwas Bestimmtes zu essen oder die Sicherheit und gute Infrastruktur im Land, oder sind es vielleicht besondere Menschen und Gewohnheiten und das Gefühl, irgendwo dazuzugehören?Corina Neher betonte, dass sie gerne in der Schweiz lebt und nur ungern freiwillig und dauerhaft auswandern und irgendwo neu anfangen würde.
«Die Schweiz ist meine Heimat», betonte die Pfarrerin und bemerkte, dass es den Begriff «Heimat» und seine emotionale Bedeutung nur im deutschsprachigen Raum gibt. In Italien spricht man von «patria» und in Frankreich von «patrie», was beides Vaterland heisst und einfach das Land der Vorfahren meint. Das englische Wort «homeland» bezeichnet das Land, in dem man seine Wohnung hat. Die bekannte natur- und heilkundige Benediktiner Äbtissin Hildegard von Bingen umschrieb den Begriff «Heimat» folgendermassen: «Gottes Sohn wird Mensch, damit der Mensch Heimat hat in Gott.»
Corina Neher erwähnte, dass es in der Schweiz immer noch die sogenannten Heimatorte gibt. Das ist der Ort, der einem früher Unterschlupf im Armenhaus gewähren musste, wenn alles im Leben schiefgelaufen war. «In der heutigen Zeit hat der Heimatort aber kaum mehr eine Bedeutung», sagte die Pfarrerin, bei der heimatliche Gefühle aufkommen, wenn sie in Erinnerungen einen Blick aus ihrem Jugendzimmer wirft, das sie nach ihrem Dialekt zu urteilen im Bernischen hatte. In der Schweiz kann man die Herkunft durch die vier Landessprachen und zahlreichen Dialekte erkennen.
Corina Neher bemerkte, dass bei ihr auch Heimatgefühle aufkommen, wenn sie im Ausland Menschen trifft, die denselben Dialekt sprechen. Oftmals spürt man erst nach der Rückkehr von einer Reise, wenn man wieder im eigenen Bett schläft und die Familie wieder um sich hat, dass man daheim beschützt und behütet ist. «Wir sind dort daheim, wo wir uns auskennen und wo wir dazugehören», sagte Neher und betonte, dass Heimat auch ein Zufluchtsort in den eigenen vier Wänden ist, wo man nicht nur materiell, sondern auch menschlich und spirituell aufgehoben ist.
Tiefe Demut am Nationalfeiertag
Der Theologe und Co-Gemeindeleiter Mathias Burkart von der katholischen Pfarrei St. Anna Opfikon Glattbrugg mag die Eigenheiten und Charaktereigenschaften des Schweizer Volks. Am 1. August verspüre er immer wieder Demut und Dank für das, was die Menschen in den vorangegangenen Generationen geleistet haben. Er erwähnte, dass der Bundesbrief von 1291 für die Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft mit dem Wortlaut «Im Namen Gottes, Amen» und mit dem Satz «Dieses Bündnis soll mit Gottes Willen ewig dauern» beginnt. Burkart bemerkte, dass es damals auf der Hand lag, dass man wichtige Sachen «im Namen Gottes» abmachte. In der heutigen digitalen, technologisierten, inter-kulturellen, globalisierten, naturwissenschaftlich fortgeschrittenen und wohlhabenderen Gesellschaft der Schweiz hat das Religiöse allerdings nicht mehr das Gewicht von früher.
Burkart warnte davor, dass gerade in den heutigen Zeiten mit grossen weltweiten Konflikten und mit sich gefährlich drehenden Eskalationsspiralen grosse Herausforderungen anstehen. «Dabei ist es wichtig, dass man sich in einem sachlichen Diskurs und Streit auseinandersetzt und sich immer des Heiligen, Ewigen und Göttlichen bewusst wird», sagte der Theologe und betonte, dass es eine göttliche, ewige und nicht materielle Dimension in unserem Leben gebe. Burkart erzählte, dass er kurz vor dem Gottesdienst mit einem 95‑jährigen Mann gesprochen und ihn nach dem Geheimnis seines Alters gefragt habe. Der weise Mann, der das Alter als ein Geschenk Gottes bezeichnete, sieht den Grund darin, dass man in jeder Lebensphase eine Zufriedenheit darüber haben muss, was man leistet und für die Gemeinschaft beitragen kann. Zudem brauche es Demut, um mit schwierigen Lebenssituation umzugehen und statt zu zerbrechen wieder aufstehen zu können.
Mathias Burkart dankte Gott für das friedliche Miteinander in den verschiedenen Kultur- und Sprachregionen, das durch christliche Werte von Gottes- und Nächstenliebe geprägt sei. Zudem dankte er den vielen Menschen, die sich mit Engagement und Innovationsgeist in den Dienst von Wirtschaft, Landwirtschaft, Politik, Bildung, Kultur und Religion stellen. «Danke für Frieden und Wohlstand, Meinungsbildung und Freiheit», so der katholische Theologe.
Nach den Fürbitten kam die Sonne
Der Gottesdienst wurde von René und Susi Glauser mit Tochter Rebecca festlich umrahmt. Das Handorgel-Trio Glauser umrahmt seit Jahren den Festgottesdienst am Nationalfeiertag. Zudem plätscherten Regentropfen auf die Zeltplane und ab und zu musste der Gottesdienst wegen dröhnender Flugzeuge kurz unterbrochen werden, was in Opfikon allerdings wohl niemanden mehr stört. Zum Schluss sangen die Gottesdienstbesucher voller Inbrunst mit Handorgelbegleitung «Grosser Gott, wir loben dich» und die vier Strophen des Schweizer Psalms. Zum Schluss wurde noch eine Kollekte für Menschen im Tessin durchgeführt, die im Juli durch die riesigen Unwetterschäden grosses Leid erfuhren.
Nach dem Festgottesdienst schlossPetrus seine Schleusen wieder und die Sonne kam hervor, damit die Besucherin der Festwirtschaft das traditionelle Opfiker Nationalfeiertagsgericht Beinschinken mit Kartoffelsalat geniessen konnten, das liebevoll mit einem kleinen Schweizerfähnchen garniert war.