Geld

Friedjung Jüttner, Dr. phil., Psychotherapeut

Vor vielen Jahren habe ich mal einen Mann kennengelernt, der für meine Vorstellung viel Geld hatte. Ich merkte das daran, dass er keiner Berufstätigkeit nachging, sondern seine tägliche Arbeit bestand darin, sich mit seinem Geld zu beschäftigen.

Er versuchte offenbar mit Erfolg, es zu erhalten und zu vermehren. Was mich beeindruckt hatte, war, dass dieser Mann sein Geld nicht einfach ­geerbt, sondern es sich verdient hatte. Trotzdem hielt ich sein Tun für Zeitverschwendung und dachte: Hätte der Mann weniger Geld, ginge er einer besseren Tätigkeit nach. Auf jeden Fall hätte er mehr Zeit gehabt. Heute denke ich: Nicht schlecht. Er war sein eigener Banker.

 

«Je älter du wirst, desto mehr erkennst du, dass wahrer Reichtum nichts mit Geld zu tun hat.»

Friedjung Jüttner, Dr. phil., Psychotherapeut

 

Das führt mich zu einem ganz anderen Zeitgenossen. Von Herrn Vas Narasimhan, dem Novartis-Chef, weiss ich nur aus der Zeitung. Was er verdient, hat er nicht verdient. Er bekommt 17 Millionen Franken für seine Arbeit während eines Jahres. Da muss ich tief schlucken. Geld ist für ihn sicherlich mehr als nur Geld. Umso schlimmer eigentlich. Warum schämt er sich nicht, diese Vergütung anzunehmen? Im Unterschied zu meinem Bekannten beschäftigen mich bei ihm ganz andere Fragen: Was macht der Mann mit dem vielen Geld? Ob er es schafft, den Grossteil während eines Jahres wieder auszugeben? Ich glaube nicht, denn dann hätte er keine Zeit mehr zum Arbeiten. Aber vermutlich bekäme er – auch wenn er nicht arbeitete – trotzdem wieder einen saftigen Bonus. Das ärgert mich. Darum würde ich gerne diesen Novartis-Chef mit einem Spruch zurückärgern. Nur bin ich nicht sicher, ob er versteht, was ich sagen will: Je älter du wirst, desto mehr erkennst du, dass wahrer Reichtum nichts mit Geld zu tun hat.»

Wenn Herr Vas Narfasimhan diesen Satz lesen würde, würde er vermutlich mit einem süffisanten Lächeln antworten: «Geld stinkt nicht.» Und damit hätte er an den Kaiser Vespasian (9 bis 79 n. Chr.) erinnert, der seinem Sohn Titus Geld, das er aus der Steuer von Bedürfnisanstalten erhalten hatte, unter die Nase hielt und sagte: «Stinkt nicht!» Es stimmt. Geld stinkt nicht. Aber wie man zu Geld kommt, das kann zum Himmel stinken.