Gedankensplitter: Betriebskommission
Vor gut 60 Jahren war ich einmal Mit-glied einer Betriebskommission. Unsere Beschlüsse waren Empfehlungen für die Baukommission eines öffentlichen Gebäudes. Und wie sich das für eine Kommission gehört, hatten wir einen Präsidenten. Bei einer Geburtstagsfeier habe ich diesen Mann – nach 60 Jahren – wiedergetroffen.
Vom Aussehen hätte ich ihn nicht erkannt, aber der Name sagte mir alles. Ich ging zu ihm, um ihn zu begrüssen. Etwas naiv hatte ich angenommen, dass er sich noch an mich erinnert.
Aber dem war nicht so. Mein Name sagte ihm gar nichts. Er war zwar sehr höf-lich und versuchte das zu überspielen: «Ja richtig, ich erinnere mich.» Aber ich merkte, er war nur freundlich.
«Warum konnte ich mich an ihn erinnern und er sich nicht an mich? Ich glaube, er ist nicht älter als ich.»
Es hat mich auch nicht gestört, dass ich ihm inzwischen fremd geworden war. 60 Jahre sind eine lange Zeit. Was mich nachträglich beschäftigt hat, war der Unterschied bei unserer Erinnerung. Warum konnte ich mich an ihn erinnern und er sich nicht an mich? Ich glaube, er ist nicht älter als ich. Also mit dem Gedächtnis würde ich es nicht in Verbindung bringen. Es dürfte etwas anderes sein. Nämlich unsere verschiedenen Positionen in der Gruppe. Schon rein numerisch war da ein Unterschied. Ich hatte einen Präsidenten, und er hatte sechs Gruppenmitglieder. Ich war einer unter mehreren. Ich war für ihn nicht so wichtig. Unsere Vorschläge, die er dann weitergab, kamen für ihn aus der Gruppe und nicht von einzelnen Gruppenmitgliedern. Unsere Aufgabe und damit unsere Aufmerksamkeit war verschieden ausgerichtet.
Vielleicht lag unsere unterschiedliche Erinnerung auch an etwas anderem. Ich bleibe mal bei der Aufmerksamkeit. Um Sie aber nicht mit der Bedeutung der Aufmerksamkeit zu langweilen, schliesse ich mit einem Zitat, dessen Autor – vermutlich ganz absichtlich – unbekannt ist: «Im nächsten Leben werde ich Kaffeemaschine: Man wird geliebt, bekommt den ganzen Tag Aufmerksamkeit, und ständig wird man gedrückt.»