Für die neue Glatt müssen auch Bäume weichen
Nach dem Opfiker Stadtpark soll die Glatt auch auf einem weiteren Abschnitt wieder natürlicher fliessen: In diesen Tagen starten die Holzarbeiten zwischen dem Tor 130 und der Fromatt Rümlang.
Südlich der Birchstrasse zwischen Glattbrugg und Rümlang residiert eine Hundertschaft an grossen und kleinen Firmen, von der Grossbank bis zum Handwerksbetrieb. Nördlich davon soll künftig vielfältige Natur Einzug halten: Der Flughafen will der kanalisierten Glatt auf rund 3300 Metern ein neues Bett bauen, mit Biegungen, flachen Uferzonen und Riedwiesen. Die Revitalisierung des Gewässers erfolgt im Auftrag des Kantons, der gesetzlich dazu verpflichtet ist; gleichzeitig muss der Flughafen für Land, das er überbaut, andernorts Kompensation leisten.
Das Vorhaben ist gemäss Gesamtprojektleiter Stefan Bruderer Teil des kantonalen Landschaftsentwicklungskonzeptes (LEK) 2014. Im Richtplan ist dieser Glatt-Abschnitt zudem als «ein zu revitalisierendes Gewässer» vermerkt. Michael Aggeler hat das 50-Millionen-Projekt über 31 Hektaren verfasst und informierte vor der Rümlanger Gemeindeversammlung im Dezember 2024 darüber: Die Bauzeit betrage 3 Jahre, und bereits nach 5 Jahren soll das neu geschaffene Flussbett schon sehr natürlich wirken. Dafür sollen neue Sträucher, seltene Pflanzenarten und 950 Bäume sorgen. Silberweiden und andere geeignete Arten werden einen Auenwald bilden, dem es wie den Riedwiesen nichts ausmacht, bei Hochwasser überflutet zu werden. So könnten hier etwa Eisvogel, Kleiner Schillerfalter oder Sibirische Schwertlilie wieder heimisch werden.
Umwelt- und Hochwasserschutz
Der Hochwasserschutz – vor gut 130 Jahren Grund für die Korrektur des Flussbettes – ist ein weiteres Ziel der Massnahmen: Der neue Gewässerraum von 50 bis 170 Metern Breite bietet dem Wasser viel mehr Platz. Am Rand sorgen die wenige Dezimeter erhöhten Wege dafür, dass das Wasser nicht zu weit um sich greift. Dazu führen sie künftig mal näher der Glatt entlang, mal weiter weg. Nach Abschluss der Arbeiten soll es rechtsufrig eine Verbindung für Velos oder Inlineskates und auf der linken Seite eine solche für Fussgänger geben. Ein neu angelegter Weiher kann von einer Aussichtsplattform beobachtet werden.
Roden, graben, pflanzen
Der offizielle Start der Bauarbeiten erfolgt am 1. April 2025. Die Arbeiten seien dabei auf Vogelbrut- und Fischschonzeiten abgestimmt. In der bereits laufenden ersten Phase wird schon gerodet und gefällt, um die Flächen für die Bauarbeiten am neuen Glatt-Lauf, an den Riedwiesen und den Wegen vorzubereiten. In Phase 2 wird der neue Flusslauf ausgehoben. In Phase 3 schliesslich wird der alte Glatt-Lauf aufgefüllt, werden die Ufer und die Riedwiesen begrünt und die Velo- und Fusswege angelegt.
Begonnen wird mit dem mittleren Abschnitt, vom Tor 130 (Richtung Rümlang) bis zu den Familiengärten Fromatt unweit des ehemaligen «Heli-Grills». Im Zuge der Arbeiten sind für den Langsamverkehr Umleitungen signalisiert.
Lieber mehr Ruhe als mehr Grün
An beiden Enden des Perimeters sind Rastplätze geplant mit Feuerstellen, Sitzgelegenheiten und Zugang zum Wasser. Sie vermochten aber an der Versammlung keine rechte Begeisterung auszulösen, denn der Flughafen kommt nur für den Bau auf; danach ist die Standortgemeinde Rümlang für den Unterhalt und allfälligen Abfall zuständig.
Rümlang brauche nicht noch ein Erholungsgebiet, fasste der Rümlanger Gemeindepräsident Peter Meier-Neves die Meinung im Ort zusammen und eröffnete damit die Frage- und Kritikrunde der Veranstaltung. Er erinnerte an die aktuelle Stausituation auf der Flughofstrasse und mahnte einen quartalsweisen Austausch mit den Flughafenverantwortlichen an, um Probleme frühzeitig angehen zu können – was laut Stefan Bruderer auch geplant sei.
Über 300 Bäume müssen weichen
Auf Kopfschütteln stiess an der Versammlung auch, dass für die natürlichere Glatt zwischen 300 und 400 teils alte Bäume gefällt werden müssen. «Eichen sind ein Politikum in Rümlang», sagte ein Teilnehmer mit Verweis auf die Erweiterung der Deponie Chalberhau: Dort zog das geplante Fällen von deutlich weniger Bäumen eine Waldbesetzung und einen Polizeieinsatz nach sich. Gemäss dem Kantonalen Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft seien diese Fällungen aber nötig, um einer natürlicheren Glatt endlich den nötigen Raum zu geben. Ausserdem würden die gefällten Stämme der Natur weiterhin nützen, indem sie im Gewässer Strukturen schaffen würden, so Gesamtprojektleiter Stefan Bruderer.
Im Zuge der Bauarbeiten müssen rund 10 000 Kubikmeter Erde bewegt werden. Ackerboden soll ins Furttal nach Dällikon verfrachtet werden, um es weiterhin als Kulturland zu nutzen. Und genau solche Transporte durchs Zentrum und durch die Tempo-30-Zone fürchteten einige Rümlanger an der Informationsveranstaltung. Die Flughafenverantwortlichen versicherten aber, dass bei der Routenwahl das Ruhebedürfnis der Bevölkerung berücksichtigen werde, trotz Mehrkosten für den Flughafen. Auch Nachtarbeiten seien derzeit nicht geplant.
Das sommerliche Zürich Openair weiter an der Gemeindegrenze von Opfikon und Rümlang kann übrigens bis 2027 stattfinden, aber reduziert.