Erst zwei Drittel aller Bushaltestellen sind behindertengerecht ausgebaut

Robin Walz

Der Kanton, Städte und Gemeinden haben trotz Gesetz und 20-jähriger Frist längst nicht alle Bushaltestellen hindernisfrei ausgebaut. Dies gilt auch für Opfikon, Wallisellen und Kloten. Deshalb werden ab Anfang 2024 Shuttles eingesetzt.

Das Behindertengleichstellungsgesetz fordert unter anderem, dass ab dem 1. Januar 2024 alle Haltestellen des öffentlichen Verkehrs behindertengerecht ausgebaut sind. Damit soll erreicht werden, dass Menschen mit eingeschränkter Mobilität an diesen Haltestellen selbstständig ein- und aussteigen können. Sie sollen in der Nutzung des öffentlichen Verkehrs nicht mehr benachteiligt werden und sich mit diesem möglichst selbstständig und spontan fortbewegen können.

Das Gesetz wurde bei weitem nicht umgesetzt – obwohl es bereits 2004 in Kraft trat und man daher für den Ausbau zwanzig Jahre Zeit hatte. Insbesondere bei Bushaltestellen besteht noch Handlungsbedarf. Gemäss einer Mitteilung des Zürcher Verkehrsverbundes (ZVV) ist rund ein Drittel der insgesamt 2200 Bushaltestellen im Kanton Zürich für Menschen mit Behinderungen nicht selbstständig nutzbar. Schuld daran ist allerdings nicht der ZVV, sondern sind die Gemeinden, die Städte und der Kanton. Als Strasseneigentümer sind sie für den Umbau der Bushaltestellen verantwortlich. 

Lokale Anbieter springen ein

Darum müssen die Transportunternehmen nun gemeinsam mit dem Kanton sowie den Städten und den Gemeinden Ersatz- oder Überbrückungsmassnahmen anbieten. Im Kanton Zürich werden bei nicht umgebauten Haltestellen, die keine selbstständige Nutzung erlauben, Menschen im Rollstuhl heute bereits durch das Fahrpersonal mittels Rampen unterstützt.

«Wo dies nicht möglich ist, organisiert der ZVV in Zusammenarbeit mit den Verkehrsunternehmen ab dem 1. Januar 2024 Ersatzmassnahmen in Form von Shuttle-Fahrdiensten», heisst es in der Mitteilung des ZVV. Diese werden gemäss ZVV von regionalen und lokalen Anbietern für Behindertentransporte erbracht, nicht von den Verkehrsunternehmen selbst. Der Shuttle-Fahrdienst wird über einen Kredit des Regierungsrates bis spätestens Ende 2027 finanziert. Damit wird den Verantwortlichen weitere vier Jahre Zeit gegeben, um den behindertengerechten Ausbau der verbleibenden Haltestellen zu finalisieren. Sollte dies nicht geschehen, werden sich wohl auch die jeweiligen Städte und Gemeinden finanziell am Shuttle-Betrieb beteiligen müssen. Dieser wäre in solchem Fall weiterhin erforderlich.

Gemäss ZVV-Mediensprecherin Cristina Maurer kann ab dem 1. Januar 2024 auf den üblichen Fahrplankanälen – Website und App von ZVV oder SBB – für jeden Ein- oder Ausstieg eingesehen werden, ob die Haltestelle stufenfrei ist, mit Hilfe des Fahrpersonals benutzbar oder ein Shuttle aufgeboten werden muss.

Wie sieht es lokal aus?

In Opfikon wird der Shuttle-Betrieb nach Angaben der Verkehrsbetriebe Glattal (VBG) an 6 Bushaltestellen zum Einsatz kommen:

  • Austrasse (Linie 759 Richtung Flughafen)
  • Dorf (762, Richtung Grätzli)
  • Grätzli (762, Richtung Glattbrugg)
  • Grossacker (762, beide Richtungen)
  • Oberhusen (Richtung Oerlikon)
  • Unterriet (beide Richtungen)
  • Vreniker (762, beide Richtungen)
  • Zil (761, beide Richtungen)

In Kloten sind gemäss VBG 18 und in Wallisellen 15 Bushaltestellen für den Shuttle-­Betrieb gemeldet. Insgesamt sind in Opfikon gemäss Zahlen der VBG 8 (von 49) Haltekanten nicht behindertengerecht ausgebaut. In Kloten sind es 30 (von 80) und in Wallisellen 20 (von 57) Haltekanten, welche die Anforderungen des Behindertengleichstellungsgesetzes nicht erfüllen. Also besteht auch hier Luft nach oben.

So funktioniert der neue Shuttle-Service

Der Shuttle-Betrieb ist für Menschen im Rollstuhl gedacht. Wer diesen nutzen möchte, muss nach Angaben der ZVV mindestens zwei Stunden vor der gewünschten Abreisezeit eine telefonische Anfrage ans «Contact Center Handicap» der SBB stellen. Diese sei kostenlos.

Damit das Kundenzentrum den Shuttle aufbieten kann, müssen die Fahrgäste folgende Informationen bereitstellen: die gewünschte Abfahrtszeit, die Art des Rollstuhls, allfällige Begleitpersonen und die eigenen Kontaktangaben. «Ausserdem soll für regelmässige Fahrten auch eine wiederholende Fahrt bestellt werden können», sagt Cristina Maurer vom ZVV auf Anfrage. «In einem ersten Schritt wird die Shuttle-Bestellung nur telefonisch möglich sein», so Maurer. Eine digitale Anmeldemöglichkeit sei in Planung.

Nach der Anfrage wird den Fahrgästen vom Contact Center Handicap eine Anmeldebestätigung per E-Mail gesendet. Zudem erhalten sie bis eine halbe Stunde vor Abfahrt via SMS eine Bestellbestätigung mit den wichtigsten Details zum Shuttle-Dienst: Treffpunkt, Zeitpunkt und Strecke der Fahrt.

Die zweistündige Vorlaufzeit, die schweizweit gilt, begründet Maurer so: «Damit ist die Branche bereits auf ein Minimum gegangen, da die Shuttles auch an weniger zentrale Haltestellen gelangen und teilweise auch vor der regulären Abfahrt verkehren müssen. Dies ist nötig, damit der Fahrgast seine Reise, inklusive Umstiege, wie gewünscht durchführen kann.»

Bei Verspätung besteht Kulanz

Maurer erklärt, dass der Shuttle-Fahrer den Fahrgast zur vereinbarten Zeit an der entsprechenden Bushaltestelle erwartet. Die Shuttles sind mit einem ZVV-Schild (siehe kleines Bild) gekennzeichnet. Nach Eintreffen des Fahrgastes wird dieser mit Hilfe des Fahrers via Rampe in den Shuttle hochgeladen. Die Fahrzeuge sind auf einen Fahrgast im Rollstuhl sowie eine Begleitperson ausgerichtet. Shuttle-Dienste, bei denen mehrere Fahrgäste gleichzeitig mitfahren können, sind nicht vorgesehen. Bei Verspätung des Fahrgastes beträgt die Wartezeit des Shuttle-Fahrers gemäss Maurer bis zu 30 Minuten. Die Kommunikation zwischen dem Shuttle und der reisenden Person werde durch das Contact Center Handicap übernommen. Verspätet sich ein Fahrgast, kann er demnach das Contact Center Handicap informieren. Falls nötig, kann ein neuer Shuttle aufgeboten werden.

Shuttle-Fahrer haben keine Tickets

«Wichtig ist, dass der Shuttle-Transport einen Teil des öffentlichen Verkehrs darstellt, um einen nicht stufenfreien Teil einer ÖV-Reise zu ersetzen», so Maurer. Dies hat laut der Mediensprecherin mehrere Konsequenzen: Erstens fahren die Shuttles möglichst auf den Linien des regulären ÖV. Das bedeutet, dass Fahrgäste nicht wie bei einem Taxi zu Hause abgeholt und direkt zur Endstation gebracht, sondern von Haltestelle zu Haltestelle transportiert werden. Es wird jedoch darauf geachtet, dass Fahrgäste im Rollstuhl so wenig zusätzliche Fahrzeugwechsel wie möglich haben. Darum werden die Fahrgäste je nach Reise bis zum nächsten sinnvollen Umsteigpunkt anstelle nur zur nächsten stufenfreien Haltestelle transportiert. Zweitens müssen die Shuttle-Fahrgäste ein gültiges Ticket lösen. Dieses kann über alle bestehenden Kanäle und Verkaufsstellen bezogen werden. Beim Shuttle-Fahrer gibt es jedoch keine Tickets.

Zu guter Letzt orientieren sich die Betriebszeiten der Shuttle-Busse an den normalen Betriebszeiten des ÖV. Das Contact Center Handicap wird jeweils zwischen 5 und 24 Uhr erreichbar sein. Wer zwischen 1 und 6 Uhr morgens einen Shuttle nutzen möchte, muss die Anfrage am Vorabend bis um spätestens 23 Uhr stellen. Die Shuttle-Fahrdienste können demnach auch Verbindungen des Nachtnetzes ersetzen. (Robin Walz)