Die Innovation hat ihren Preis

Roger Suter

Medizinische Forschung ist langwierig und teuer. Die Glattbrugger Dr. Falk Pharma AG vergibt deshalb jedes Jahr einen Innovationspreis. Der aktuelle geht an Professor Dr. Jan Hendrik Niess, der an einer «jungen» Krankheit forscht.

Die Dr. Falk Pharma AG an der Sägereistrasse gehört nicht zu den Grossen der Pharmabranche. Doch das ist auch gar nicht das Ziel. Vielmehr hat das ­mittelständische, nicht börsenkotierte Familienunternehmen aus Freiburg im Breisgau die Vision, das medizinisch wissenschaftliche Wissen von vielen zu vernetzen und so die Behandlung von Krankheiten voranzubringen. Ihr Fachbereich ist die Verdauungs- und Stoffwechselmedizin. Sie entwickelt in der Schweiz und Deutschland Arzneimittel für Gastroenterologie und Hepatologie, um Betroffenen mit chronisch entzündlichen Darm-, Speiseröhren- und Lebererkrankungen zu helfen. Die Dr. Falk Pharma AG arbeitet auch mit medizischen Zentren zusammen, um Grundlagenforschung und klinische Forschung zu kombinieren.

Das Gefühl, es bleibt stecken

Die Dr. Falk Pharma AG vergibt in der Schweiz über ein unabhängiges Fachgremium jährlich einen Innovationspreis über 10 000 Franken an Forschende auf diesen Gebieten. Er geht dieses Jahr an Professor Dr. Jan Hendrik Niess, der im Departement Biomedizin der Universität Basel und für Clarunis – Universitäres Bauchzentrum Basel tätig ist, und sein Team. Der international erfahrene Facharzt für innere Medizin und Gastroenterologie forscht an einer Krankheit, die 1994 vom Oltner Professor Dr. Alex Straumann zeitgleich mit dem Briten Prof. Stephen Attwood erstmals beschrieben wurde. In der Schweiz leiden bislang etwa 5000 Patientinnen und Patienten darunter: Eosinophile Ösophagitis, kurz EoE. Betroffene haben Schwierigkeiten beim Schlucken fester Nahrung. Straumann fand heraus, dass in deren Speiseröhre aussergewöhnlich viele Entzündungszellen, eosinophile Granulozyten, vorhanden sind.

Niess’ Gruppe forscht dabei seit zehn Jahren an Proteinen der Zytokin-Gruppe, welche bei diesen Entzündungen eine Rolle spielen. Ihr Ansatz ist, dass sie die Rezeptoren – die Stellen, an denen die Proteine gleichsam «andocken», um ihre Wirkung zu entfalten – blockieren und so das Fortschreiten der Entzündung hemmen. «Wir hatten insgesamt 12 hochkarätige Anträge für den Preis», so Dr. Teo Alba­rano, Leiter Medizin bei Dr. Falk Pharma AG. Sie wurden von externen Fachleuten, unter anderem von Professor Dr. Gerhard Rogler vom Zürcher Universitätsspital, geprüft und mit einem Punktesystem bewertet. «So wurde der Preisträger 2023 erkoren.» Jan Hendrik Niess hat sein Medizinstudium an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena abgeschlossen und danach am Massachusetts General Hospital sowie an der Harvard Medical School in Boston gearbeitet. In Ulm wurde er Facharzt für innere Medizin und Gastroenterologie und anschliessend Oberarzt am Inselspital in Bern. Seit 2015 ist er Professor der Gastroenterologie an der Universität Basel. Er hat dort eine Forschungsgruppe am Departement Biomedizin etabliert und ein Versorgungszentrum für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und EoE in Basel aufgebaut. Seit 2019 ist er als Leitender Arzt Gastroenterologie/Hepatologie bei Clarunis – Universitäres Bauchzentrum Basel tätig.

Algorithmen allenthalben

Bei seinen medizinischen Forschungen kommt auch künstliche Intelligenz zum Einsatz. Diese simuliert zum Beispiel, wie sich Proteine verhalten und neu kom­binieren können, und macht so sehr ­langwierige Laborversuche in die falsche Richtung unnötig.

Hier knüpfte auch das Referat der Gastreferentin an: Prof. Dr. Christa Dürscheid, Professorin für deutsche Gegenwartssprache der Universität Zürich, führte aus, wie wir elektronisch kommunizieren – untereinander, aber auch mit Programmen, die auf künstlicher Intelligenz (KI) basieren. Und sie erörterte, ob sie einst gar die bessere Gesprächspartnerin sein könnte. Dürscheid analysierte Nachrichten in sozialen Netzwerken sowie ihre Auswirkungen auf die heutige Kommunikation und zeigte auf, wo schon überall Roboter und Assistenzsysteme zum Einsatz kommen. Und sie verglich schriftlich geführte Unterhaltungen mit «Siri» (der Spracherkennungssoftware von Apple) aus dem Jahr 2011 mit aktuellen Programmen wie ChatGPT, das zu Beginn dieses Jahres für Aufsehen sorgte.

Und bei aller Faszination für den enormen Fortschritt dieser Technologien: Beim anschliessenden Apéro wurde spürbar, was all diesen Konversationen fehlt: die Mimik und Anteilnahme eines echten menschlichen Gegenübers.