Das Detail neu entdecken

Roger Suter

Im Stadthaus sind Bilder von Werner Braun ausgestellt. Dass es eigentlich Fotografien sind, erkennt man aber bei manchen erst auf den zweiten Blick. Dazu sucht der Winterthurer Hobbyfotograf in den Details des Alltags.

Mit offenen Augen durch die Welt zu gehen ist im Zeitalter des allgegenwärtigen Smartphones selten geworden. Umso intensiver übt diesen Blick der Werner Braun. Die Sujets bietet ihm dabei vor allem die Natur – und der Zufall hilft ihm dabei, sie zu finden.

So etwa bei der Bilderserie «whiteout». Der Begriff aus dem Englischen beschreibt, wie sich bei Schnee und Nebel die Kontraste auflösen und man Himmel und Erde nicht mehr unterscheiden kann – so sehr, dass der Mensch nicht nur die Orientierung, sondern sogar das Gleichgewicht verlieren kann. «Das haben wir im vergangenen Jahr im Bündner Fextal erlebt», erzählt Werner Braun an der Vernissage am 13. März im Opfiker Stadthaus. «Als wir aus der Hütte kamen, war alles gleich weiss. Weder Licht noch Schatten, kein Vorder- und kein Hintergrund – für Fotografen eigentlich eine unmögliche Situation.» Nur ein schwarzer Bach zeichnete sich in der Ferne noch ab – und ihn hat Werner Braun abgelichtet.

Dieser Minimalismus zeigt sich auch in anderen Bildern, wo er sich auf Strukturen, Formen und Spiegelungen konzentriert. Ebenfalls im vergangenen Jahr besuchte er den Engadiner Morteratschgletscher und entdeckte in dessen Höhle kleine und kleinste Eisstrukturen, die er ebenfalls in schwarz-weiss festhielt.

Bei anderen Sujets wählt er lange Belichtungszeiten, während denen er die Kamera absichtlich bewegt und so spannende Lichteffekte erzielt. «Die Idee dahinter war, die reinen Farben und Formen der Jahreszeiten zu zeigen», erläutert Werner Braun, «ohne die Störung durch Details.» So wird ein blühender Haselzweig  mit Schnee darauf zu einem spannenden Wirbel aus Farben und Formen.

Nie mit künstlichem Licht

Die meisten Fotografien schiesst der ambitionierte Hobbyfotograf, er auch Kurse in Fotografie und Fotoentwicklung gibt, mit einer Leica Q2 Digitalkamera, manche auch mit dem Handy, aber stets ohne Blitz und Fotoleuchten. Auch mit dem Bearbeiten der Bilder im «Raw»-Format hält sich der Winterthurer zurück. Lieber lässt er das vorhandene Licht wirken.

Unter dem Titel «Picoftheday» hat er, mit einer krankheitsbedingten Unterbrechung, seit 2020 jeden Tag ein Foto von einem Detail geschossen. All diese Bilder hat er zu einem Jahreskalendern zusammengesetzt, und wer konzentriert abzählen kann, findet im zweiten Stock des Stadthauses vielleicht «sein Tagespic». Ausserdem hat er – passend zu den damaligen Virenmutationen – die Bilder aneinandergereiht und zu einem Kreis mutiert; auch dies ist ein spannendes Ratespiel. «Ich hoffe einfach, dass die Angestellten nicht zuviel Arbeitszeit vor meinen Bildern verbringen», scherzte er mit Blick auf Stadtpräsident Roman Schmid, der die Laudation gehalten hatte.

Darin attestierte er dem Fotografen, die Betrachter in andere Welten versetzen zu können – «und genau das soll bei all unseren Ausstellungen hier im Stadthaus geschehen: Es soll nicht nur dem Gang aufs Amt dienen, sondern auch etwas anderes zeigen.»

Die Fotos von Werner Braun sind zu den üblichen Öffnungszeiten des Stadthauses bis am 15. August zu sehen.

Informationen zum Künstler: https://lichtzeichnenblog.com