Cargo sous terrain: ein langer Tunnel mit tausend offenen Fragen
Mit der öffentlichen Auflage des Sachplans Verkehr wird erstmals ersichtlich, wo die Cargo sous terrain AG ihre Hubs für den Güterverlad und -entlad realisiert will: mitten im dicht besiedelten Glattal. Bereits regt sich in Opfikon und Kloten Widerstand.
Das Projekt ist bestechend: In 20 bis 40 Metern Tiefe sollen in einem Tunnel mit automatisierten Wagen Güter quer durch die Schweiz transportiert werden und so die Lastwagenflut eindämmen. Der Zugang zu den Tunneln erfolgt über Verladestationen, sogenannte Hubs. Die erste Teilstrecke ist zwischen Härkingen (SO) und Zürich geplant und soll bereits 2031 in Betrieb gehen. Bis 2045 möchte Cargo sous terrain das Tunnelnetz auf 500 Kilometer ausweiten, mit Strecken vom Boden- bis zum Genfersee und Abzweigern nach Basel, Luzern und Thun.
Was bislang in den Köpfen des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung der Cargo sous terrain AG (CST) herumschwirrte, hat nun Fahrt aufgenommen. So haben das Bundesamt für Verkehr und das Bundesamt für Raumentwicklung den Sachplan Verkehr, Teil «Unterirdischer Gütertransport», für die erste Teilstrecke zwischen Zürich und Härkingen (SO) veröffentlicht. Aus den Unterlagen wird erstmals ersichtlich, wo die Strecke verlaufen soll und vor allem wo die Verteilzentren, also die Hubs, geplant sind.
«Erschliessung ist Knackpunkt»
Es ist zwar erst der erste Schritt im mehrstufigen Bewilligungsverfahren, doch besonders für Kloten und Opfikon dürften die Auswirkungen gravierend sein. Denn mit dem geplanten Hub fast genau auf der Gemeindegrenze, im Gebiet Balsberg, stellt sich die grosse Frage, wie der oberirdische Verkehr dannzumal abgewickelt werden soll. Denn von hier aus wird ab Inbetriebnahme der ersten Teilstrecke bis zur Fertigstellung der Röhre nach St. Gallen die ganze Ostschweiz mit Gütern versorgt. Da dürfte es ab 2031 zu deutlichem Mehrverkehr kommen. Das bestreitet der Tunnelbetreiber zwar. «In der unmittelbaren Umgebung wird es kaum eine Verkehrszunahme geben», sagt CST-Sprecher Patrik Aellig. «Das glaube ich nicht», entgegnet Roger Isler (FDP). Der Klotener Stadtrat hat zusammen mit Bruno Maurer (SVP), Stadtrat in Opfikon, unlängst an einer Orientierung der Gemeinden durch die Cargo sous terrain AG teilgenommen. Fazit: «Das Tempo, das hier angeschlagen wird, ist extrem hoch», so Isler, der nochmals betont: «In unseren beiden Gemeinden wird es zu Mehrverkehr kommen.» Eine Entlastung sieht Isler lediglich auf grosse Distanzen. Den Klotener Stadtrat stört aber vor allem, dass nach wie vor viele zentrale Fragen des Projekts unbeantwortet sind. «Ich hätte gerne gewusst, wie die Feinverteilung in unserer Region gelöst wird.» Und für den Opfiker Stadtrat Bruno Maurer steht schon heute fest: «Die Erschliessung wird der Knackpunkt sein. Wir möchten nicht, dass unsere Strassen tangiert werden.»
Trotz vieler unbeantworteter Fragen müssen Kloten und Opfikon bis in zwei Wochen ihre Stellungnahme zuhanden des Kantons abgeben.
«Das Tempo, das hier angeschlagen wird, ist extrem hoch.»
Grundsätzlich, so betonen beide, mache das Vorhaben Sinn. Die Idee von CST, dass nicht mehrere Lieferwagen verschiedener Kurierdienste hintereinander herfahren, sondern man sich auf einen unterirdischen Gütertransport konzentriert und damit weniger Verkehr produziert, sei an sich gut, so Maurer. Doch auch er hat Fragen. Beispielsweise diese: «Ob sie all die Firmen dazu bringen, mitzumachen, wissen wir heute noch nicht.»
Klar ist schon heute, dass die Anlieferung von Gütern zum Flughafen über einen zweiten Hub erfolgen soll. Dieser befindet sich im Rohrholz, nur wenige hundert Meter vom Opfiker Hub entfernt, westlich des Flughafenkopfs, zwischen der Glatt und den Hangars der SR Technics, aber noch ausserhalb des Flughafenzauns. Allerdings: Das Areal liegt innerhalb des Flughafenperimeters, und darin sind bereits verschiedene Vorhaben des Flughafens vermerkt. CST betont in seinem Bericht zum Flughafen-Hub, dass der Standort in Zusammenarbeit mit dem Flughafen bestimmt wurde. Wegen der beschränkten Kapazitäten beim Flughafenkopf sei er auch für den Flughafen die bevorzugte Lösung.
Der Hub in Opfikon ist aus dem Studium von elf Varianten hervorgegangen, wie den Projektunterlagen zu entnehmen ist. Das untersuchte Gebiet reichte bis nach Volketswil. Das favorisierte Gebiet in Opfikon zeichnet sich allerdings durch zahlreiche Schwächen aus, so ist den Unterlagen zu entnehmen. Als positiv bewertet wird die Nähe zum Flughafen, dass ein unbebautes Areal vorhanden ist und der Hub ausserhalb des Grundwassers liegt. Negativ bewertet wird der Umstand, dass kein Gleisanschluss besteht und es potenzielle Konflikte mit kantonalen Planungen und der Erweiterung der N11 Zürich Flughafen Kloten auf sechs Spuren gibt. Zudem befindet es sich «im Randgebiet eines Grundwasserleiters mittlerer Mächtigkeit», so schreiben die Planer. Folge: Es könnte zu einer «Verringerung der Durchflusskapazität des Grundwasserleiters» kommen.
Sorgen in Kloten und Opfikon
Die von Opfikon und Kloten aber als grösstes Problem angesehene Konsequenz wird in den Unterlagen kaum angesprochen: der Verkehr und seine Auswirkungen. Für Isler ein grosses Manko. Eine Antwort, wie sich der Verkehr um die Hubs entwickeln werde, seien die Verantwortlichen den Gemeinden schuldig geblieben. Isler befürchtet, dass es vor allem zu einer weiteren Zunahme des Verkehrs über die bereits heute überlastete Wilden-Mann-Kreuzung kommen wird. «Da müssen wir mehr wissen, auch vom Kanton. Wird er die Kreuzung ausbauen?» Ganz grosse Sorgen bereiten dem Klotener Stadtrat die Signale vonseiten CST, dass die Strecke nach St. Gallen nicht im zweiten Schritt gebaut werden soll, sondern zuerst der Zweig nach Basel realisiert werden soll. Konsequenz: Der Güterverkehr ab Hub Opfikon Richtung Ostschweiz würde noch länger oberirdisch erfolgen.
«Die Erschliessung wird der Knackpunkt sein. Wir möchten nicht, dass unsere Strassen tangiert werden.»
Auch in Opfikon bereiten die grossen Lastwagen, die vom vorläufig östlichsten Hub die gesamte Ostschweiz versorgen sollen, grosse Sorgen. Der nun im Sachplan vorgeschlagene Hub-Standort auf der Wiese hinter dem Hotel Mövenpick liegt zwar zentral, ist aber noch nicht allzu gut erschlossen: Die Walter-Mittelholzer- und die anschliessende Rietstrasse führen durch ein Wohnquartier und enden auf einem Kehrplatz zwischen Hotel und Flughafenautobahn. Ob hier ein neuer Autobahnanschluss möglich ist, steht noch nicht fest: Vom Nordring her müsste die A51 überquert werden, und in der Gegenrichtung sind die Platzverhältnisse unter der SBB-Brücke der Haltestelle Kloten-Balsberg derzeit zu eng für eine Ausfahrt. Eine zweite namenlose Strasse führt von der Flughofstrasse unter Glattalbahn- und SBB-Gleisen hindurch zum selben Kehrplatz. Hier sähe es für eine Erschliessung besser aus, denn die Flughofstrasse und ihre Fortsetzung Birchstrasse sind eine kantonale Achse vom Anschluss Seebach am Zürcher Nordring zum Flughafen.
«Ideal für uns wären ein City-Hub in Opfikon und einer in Oerlikon, wie es vorgesehen ist», so Stadtrat Maurer. «Dann hätten wir hier nur den Binnenverkehr.» Doch solches werde wahrscheinlich erst im kantonalen Richtplan eingetragen – und damit in einem späteren Verfahren.
Anschluss an Autobahn nötig
Ideal wäre eigentlich, den Hub in Opfikon, der nur gerade 80 Meter von der A11 entfernt geplant ist, an die Flughafenautobahn anzuschliessen. Dies sehen auch die Verantwortlichen von CST so. Gerade weil der Hub in Opfikon bis zur Inbetriebnahme der Streckenerweiterung nach St. Gallen als sogenannter Haupthub in diese Richtung dient, so ist den Variantenunterlagen zu entnehmen, sollte er über eine «sehr gute Erschliessung ans Autobahnnetz und idealerweise auch an die Schiene verfügen». Nach Angaben des CST-Mediensprechers seien Varianten in Prüfung. Und: «Wir sind im Gespräch mit dem Bundesamt für Strassen», so Aellig. Dort bestätigt man, dass verschiedene Kontakte und Gespräche mit den Initiatoren von Cargo sous terrain stattgefunden hätten. «Wir kennen auch die Unterlagen, die sich nun in der öffentlichen Anhörung befinden», sagt Thomas Rohrbach. Federführend bei dieser Anhörung zum Sachplan seien aber die Kolleginnen und Kollegen der Bundesämter für Raumentwicklung (ARE) und Verkehr (BAV). Auf dieser Stufe des Verfahrens gehe es um die Diskussion von Grundsatzfragen, Details würden in einem späteren Schritt diskutiert. Rohrbach: «Das heisst: Wir planen heute noch nichts, geschweige denn, es laufen schon konkrete Projekte im Zusammenhang mit Cargo sous terrain auf den Nationalstrassen.» Sicher sei, dass die Erschliessung von künftigen Hubs eng mit der Entwicklung des Nationalstrassennetzes abgestimmt werden müsse, so der Astra-Sprecher, der fortfährt: «Hier beispielsweise den geplanten Ausbau der N11 Zürich Nord – Kloten Süd Flughafen oder der Glattalautobahn.»
Kein Schnellverfahren
Und das Verfahren werde das gleiche sein wie immer. Neue oder angepasste Anschlüsse würden die ordentlichen Verfahren durchlaufen: Erarbeitung des Generellen Projekts (GP) in enger Abstimmung mit dem jeweiligen Standortkanton, anschliessend entscheidet der Bundesrat über das GP. Basierend auf dem Generellen Projekt erarbeitet das Astra das so genannte Ausführungsprojekt (AP). Dieses wird öffentlich aufgelegt, mit der Auflage beginnt das Plangenehmigungsverfahren mit Einsprache- und Rekursmöglichkeit bis und mit Bundesgericht. «Ist ein Projekt rechtskräftig genehmigt, erarbeiten wir das Detailprojekt – und schreiben, basierend darauf, die Arbeiten aus», so Rohrbach
Dass ein allfälliger Autobahnanschluss seinen vorgegebenen Weg gehen wird, beruhigt Isler. Er macht aber dennoch die Faust im Sack, denn für die geplante Airport-City, also das Entwicklungsgebiet zwischen Kloten und Opfikon (Eignungsgebiet für Verkauf und Verkaufsevents), planten die beiden Städte ebenfalls einen Anschluss an die Flughafenautobahn. «Diese Möglichkeit wurde damals aber kategorisch abgelehnt», so Isler. Wie schnell ein direkter Autobahnanschluss realisiert wird, steht derzeit sowieso in den Sternen. Denkbar ist, dass er erst mit dem Ausbau der Flughafenautobahn auf sechs Spuren kommt. Das dürfte frühestens im Jahr 2045 sein.
Alle Details unter: www.bav.admin.ch/bav/de/home/verkehrsmittel/cargo-sous-terrain.html
Bereits ein Vorstoss im Klotener Parlament
Das geplante Megaprojekt ist bereits Anlass für einen Vorstoss im Klotener Parlament. SVP-Politikerin Sandra Eberhard (SVP) hat in einer Interpellation zu Cargo sous terrain dem Stadtrat sechs Fragen gestellt. Im Zentrum ihres Vorstosses stehen vor allem die verkehrstechnischen Auswirkungen auf die Flughafenstadt, vor allem die möglichen Auswirkungen der Feinverteilung der Güter auf das Klotener Strassennetz, insbesondere auf die Flughofstrasse und die Schaffhaueserstrasse. Eberhard will weiter wissen, wie die Verkehrsplanung für die Feinverteilung auf Klotener Boden aussehe und ob für die Bewilligung des sogenannten Verladehubs eine solche massgeblich oder zumindest notwendig sei. Die SVP-Gemeinderätin interessiert auch, wie weit die Planung in Opfikon schon fortgeschritten und wie realistisch die Umsetzung in der Nachbargemeinde ist. Bei der Begründung ihres Vorstosses an der letzten Gemeinderatssitzung stellte die SVP-Politikerin weitere Fragen. Unter anderem wie die Zusammenarbeit mit Opfikon aussehen werde. Nicht nur die SVP macht sich sorgen. In der Debatte zeigte sich, dass auch die Ratslinke hinter dem Vorstoss steht. Sigi Sommer (SP) betonte: «Es ist nie zu früh, sich darüber Gedanken zu machen.» (dj.)
So viel Verkehr wird erwartet
Im extern erarbeiteten Verkehrsbericht zum CST-Projekt wurde das Verkehrsaufkommen bei jedem Hub untersucht. Konkret soll es zwischen dem Hub Opfikon und dem Autobahnanschluss eine Mehrbelastung von 2 Prozent geben. Der Schwerverkehr wird in diesem Bereich um 28 Prozent zunehmen, die Autobahn aber um 16 Prozent entlastet. Für die Cargo-sous-Terrain-Verantwortlichen ist der Standort Opfikon aus Sicht des Verkehrs überzeugend, «da nur die Einfahrt Glattbrugg und ein kurzes Stück Autobahn eine Mehrbelastung erfahren» würden, ist dem Verkehrsbericht zu entnehmen. (dj.)