Asylsituation: Gemeinden fordern mehr Unterstützung
Per 1. Juli hat sich die Aufnahmequote für Asylsuchende von 1,3 auf 1,6 Prozent erhöht. Drei Gemeindepräsidenten haben deshalb vom Regierungsrat Unterstützungsmassnahmen verlangt. Der Kanton will unkompliziert helfen, sieht aber nur beschränkte Möglichkeiten.
Seit Montag müssten alle Gemeinden im Kanton Zürich 16 Personen pro 1000 Einwohnerinnen und Einwohner aufnehmen. In Kloten wären dies rund 345 (bisher 280), in Wallisellen 268 (bisher 226) und in Opfikon 343 Menschen (bisher 275). Solche Kontingentserhöhungen stellen die Gemeinden immer wieder vor Probleme – nicht nur mit der Unterbringung, sondern auch mit der Betreuung dieser Menschen. «Dieses Problem ist auch in Opfikon noch nicht gelöst», so Stadtpräsident Roman Schmid (SVP).
Er hat deshalb zusammen mit Stefan Schmid, Gemeindepräsident von Niederglatt, eine Anfrage des gemeinsamen SVP-Kantonsratskollegen Christian Pfaller mitunterzeichnet: «Gemeinden am Limit». Darin verlangt der Gemeindepräsident von Bassersdorf vom Kanton «aktive Unterstützung bei der Erfüllung der Asyl-Aufnahmequote». So wollen die drei Kantonsräte etwa wissen, ob der Regierungsrat mit dem Zuweisen warte könne, sofern die Gemeinde ein abstimmungsreifes Projekt für Asylunterkünfte vorweisen können – sprich: ihre Bemühungen belegen könne. Auch wünschen sie sich Unterstützung in Form von kantonalem Land für Unterkünfte oder mit Armeematerial wie Zelten oder Containern.
Zuvor schon hatten diverse Gemeinden den zuständigen Regierungsrat Mario Fehr darauf hingewiesen, dass allein die 22 Gemeinden im Bezirk Bülach 489 weitere Plätze (derzeit: 2119) schaffen müssten. Das sei «grösstenteils nicht möglich», so die drei Gemeindepräsidenten in ihrer Anfrage an den Gesamtregierungsrat. «In der Antwort von Regierungsrat Fehr werden keine neuen Erkenntnisse oder Massnahmen dargelegt, um dieser Notsituation in unseren Gemeinden entgegenzuwirken», so Pfaller und die Herren Schmid weiter.
Kanton will unkompliziert sein
Der Regierungsrat sei bereit, konkrete Anfragen der Gemeinden unkompliziert, prioritär und zügig zu prüfen, schreibt dieser nun in seiner Antwort. Doch nur, falls innerhalb der Bauzone kein Alternativstandort (auch Zivilschutzanlagen) realisierbar ist, könne auf kantonalem Land eine auf ein Jahr befristete Einzelfall-Bewilligung erteilt werden – und auch nicht unentgeltlich. Der Kanton entscheide fallweise und berücksichtige kantonalen Bedarf wie auch planungsrechtliche Rahmenbedingungen. Unter anderem sei eine Baubewilligung zwingend, wodurch auch die Planung, Submission und Realisierung von Provisorien Zeit beanspruche. «Für kurz-und mittelfristige Lösungen sollten somit Bestandesobjekte (Eigentum oder Anmiete) im Vordergrund stehen», findet der Regierungsrat.
Roman Schmid hat mit diesen Antworten gerechnet. «Positiv ist immerhin, dass man sich beim Kanton melden kann und dieser nicht grundsätzlich gegen die Unterstützung ist», findet der Opfiker Stadtpräsident. Gegenwärtig sind in der Stadt Opfikon 266 Personen aus dem Asyl- und Flüchtlingsbereich, welche zum Kontingent zählen, untergebracht. Mit der neuen, erhöhten Aufnahmequote kämen 77 dazu. Wenn die Gemeinden wie vom Regierungsrat angeregt einfach selber Wohnungen für diesen Zweck zumieten, fehlen diese nachher auf dem ohnehin ausgetrockneten Wohnungsmarkt, so Schmid.
Kloten: «Übervoll»
Der zuständige Klotener Stadtrat Kurt Hottinger jedenfalls ist seinem Parteikollegen Christian Pfaller «sehr dankbar» für seinen Vorstoss und die Arbeit dazu. «Es ist enorm wichtig, dass die grossen Probleme auf kommunaler Ebene auch bis zum Kanton und Bund durchdringen und erkannt werden.» Folglich unterstützt er sämtliche Anliegen zu 100 Prozent. Wie auch der Regierungsrat ausgeführt hat, seien den Kantonen und Gemeinden die Hände in dieser Angelegenheit gebunden. «Wir müssen übernehmen, was seitens des Bundes uns zugeteilt wird», so Hottinger gegenüber diese Zeitung. «Dies ist mit enormen Problemen verbunden und wir wissen nicht mehr, wo wir noch Platz schaffen können in unseren schon jetzt arg belasteten Regionen, in denen überall akuter Wohnungsmangel in allen Preissegmenten herrscht.»
Neben einer effektiveren und fokussieren Flüchtlingspolitik seitens des Bundes sei ein pragmatischeres Vorgehen seitens des Kantons beim Bewilligungsverfahren für Unterkünfte und generell bei der Umsetzung der kantonalen Vorlagen im Zusammenhang mit Asyl zentral. «Von den Kommunen wird ein rasches und unkompliziertes Handeln erwartet, und dies muss zwingend auch seitens Kanton und Bund so gehandhabt werden. Ansonsten können wir die Herausforderungen nicht mehr bewältigen.»
Derzeit beherberge Kloten 280 Personen und erfülle die geforderten 1,3% knapp und mit grosser Mühe. Dabei ist die Lage für Kloten noch etwas komfortabler als anderswo: Da das Rückkehrzentrum (RKZ) im Rohr über aktuell 80 Plätze verfügt, werden sie der Zulassungsquote angerechnet. Mit der neuen Quote von 1,6 Prozent Asylsuchenden könnten noch zwischen 60 und 66 Personen hinzukommen, für die man neuen Platz schaffen müsse, da man bereits «übervoll» sei. Voraussichtlich müssten in städtischen Wohnungen mehr Personen untergebracht werden. «Vor allem aber werden wir zusammenrücken müssen in den bestehenden Asylunterkünften und bereits bezogenen Wohnungen.» Im Budget 2025 habe die Stadt Kloten bereits einen Planungskredit für einen möglichen Ausbau der Asylunterkunft eingestellt. Dies sei als vorsorgliche und vorausschauende Massnahme zu verstehen und werde nur ausgelöst, falls sich die Situation bis Mitte 2025 nicht entspannt. Dazu prüfe der Stadtrat den Kauf einer passenden Liegenschaft für den Asylbereich, die bei einer Entspannung der allgemeinen Lage auch vermietet werden könnte.
«Geeignete Unterkünfte» wichtig
Der Walliseller Kommunikationsverantwortliche Marcel Amhof findet die Vorschläge von Christian Pfaller prüfenswert, obwohl nicht alle der erwähnten Unterstützungsmöglichkeiten dieselbe Relevanz beziehungsweise Dringlichkeit haben. Das formulierte Anliegen werde aber grundsätzlich unterstützt, lässt er in Absprache mit der zuständigen Stadträtin Verena Frangi Granwehr auf Anfrage dieser Zeitung mitteilen. Die rasche Folge der Erhöhung der Aufnahmequote erschwere, gekoppelt mit den aufwendigen politischen Prozessen und Bewilligungsverfahren, die Aufgaben im Bereich Asyl ungemein. «Raum für pragmatische, ortsgegebene Möglichkeiten seitens des Kantons ist deshalb erwünscht.» Die wichtigste Forderung ist für sie die zeitlich verzögerte Zuweisung.
Wallisellen beherbergt derzeit 238 Asylsuchende; das bisherige Soll ist mit 226 etwas tiefer. Nach neuem Schlüssel könnten noch 42 Personen hinzukommen. Ob der Platz dafür reicht, lasse sich nicht so einfach beantworten: Die Zahl der effektiven Plätze sei abhängig davon, welche Personen und Gruppen der Stadt zur Unterbringung zugewiesen werden. «Eine Mutter mit Kindern hat ein anderes Platzbedürfnis als ein alleinstehender Mann. Bei der Unterbringung geht es nicht nur darum, einen Platz zu finden, sondern eine geeignete Unterkunft.»
Ab Herbst 2024 stünden an der Hertistrasse neben den bisherigen zusätzliche Container zur Verfügung, die zuvor beim Schulhaus Mösli standen. Auch in anderen, bereits bestehenden Unterkünften könnten zusätzliche Plätze geschaffen werden, maximal 52 an der Zahl.
Mario Fehr «ausserordentlich dankbar» für den Einsatz
Im Mai 2024 wurden gemäss Asylstatistik Schweiz rund 2300 Asylgesuche registriert, 15 Prozent mehr als im Mai 2023. Zudem stellten rund 1400 Personen aus der Ukraine ein Gesuch für den Schutzstatus S.
Mit der um 0,3 Prozent erhöhten Aufnahmequote könnten in den 160 Gemeinden im Kanton Zürich rund 4800 zusätzliche Plätze geschaffen werden, schrieb die Zürcher Sicherheitsdirektion vergangene Woche in einer Mitteilung. «Die Gemeinden sind sehr engagiert und finden immer wieder Lösungen», hält Regierungsrat Mario Fehr fest: «Dafür bin ich ausserordentlich dankbar.»
Das Kantonale Sozialamt sei ständig im Austausch mit den Gemeinden und wie bisher bestrebt, bezüglich Zuweisungen auf die Bedürfnisse der Gemeinden Rücksicht zu nehmen. Zur Entlastung der Gemeinden habe auch der Kanton die kantonalen Unterbringungskapazitäten in den letzten zwei Jahren mehr als verdoppelt. Aktuell betreibt der Kanton vier reguläre und sieben temporäre Durchgangszentren, vier Rückkehrzentren und 13 Standorte für unbegleitete Jugendliche (sogenannte MNA) mit rund 2300 Plätzen. Die geplante Inbetriebnahme des ehemaligen See-Spitals in Kilchberg als weitere temporäre Unterkunft ist aufgrund von Rekursen derzeit blockiert.
In der Pflicht stehe aber auch der Bund, bei dem sich Zürich vehement für genügend eigene Unterkünfte und gegen vorzeitige Zuweisungen an die Kantone einsetzt.
Die Gemeinden möchten vom Kanton mehr Unterbringungsmöglichkeiten. Der Bund betreibt eigene – hier das Bundesasylzentrum Zürich. Bild Lisa Maire