Arbeiten am Rückgrat der Schweiz
Wer am Wochenende im Flughafenbahnhof ganz ans Ende des Perrons geht, entdeckt einen Grund, warum die SBB nach wie vor sehr pünktlich fahren: Dort werden im Schichtbetrieb Gleise und Weichen ersetzt.
Derzeit lärmen am Flughafen nicht nur die Flugzeuge an der Oberfläche, sondern auch Baumaschinen darunter: Die SBB ersetzen hier im Flughafenbahnhof acht Weichen und bis Ende Jahr Richtung Bassersdorf rund einen Kilometer Gleise. Denn Schwingungen, Schienendruck und das grosse Gewicht der schnellen und schweren Züge nutzen die Infrastruktur stark ab. Wann immer möglich geschieht der Ersatz bei laufendem Zugbetrieb, um den Fahrplan und damit die Reisenden möglichst wenig zu beeinträchtigen. Doch manchmal ist es besser, beide Gleise für die Züge zu sperren. Das ist im Flughafentunnel an den Wochenenden vom 17. Januar bis 10. Februar der Fall. «Wir sind erstens viel schneller fertig», erklärt Mergim Faqi, «und es ist viel sicherer für meine Kollegen, als wenn auf dem Nachbargleis noch Züge vorbeifahren.»
Der Teamleiter Fahrbahn Bauführung der SBB-Region Ost ist zusammen mit Bauführer Roger Seiler verantwortlich für diese Baustelle, die kaum jemand sieht – es sei denn, man geht im Flughafenbahnhof ans Ende des Perrons, wo der Zug an diesen Wochenenden nicht mehr weiterfährt. Dort fehlt dann möglicherweise ein ganzes Gleis.
Akkord-Arbeit unter Tage
Gleiserneuerung ist Akkord-Arbeit rund um die Uhr. Hier sind an den Bauwochenenden bis zu 99 Personen in drei Schichten im Einsatz. Jeweils vom Samstagmorgen, 4 Uhr, bis Montagmorgen, 4.45 Uhr, ist der Flughafenbahnhof nur aus einer Richtung befahrbar – deshalb die schon vor Wochen angekündigten Einschränkungen im Zugverkehr. Denn aus der jeweils anderen Richtung rücken Spezial-Baumaschinen an, die zuvor in Winterthur und Bassersdorf gewartet haben: ein Kran, ein spezieller «Bagger-Zug» sowie Spezialwagen für den Abtransport von Schotter und Gleisen. Später folgen noch Stopfmaschinen, die den Schotter unter den Schwellen wieder verdichten.
In den Tagen vor dem Gleisersatz haben die Gleisbauer die Schienen an vordefinierten Stellen auseinandergeschnitten und mit seitlichen Laschen wieder zusammengeschraubt. «Das hört man jeweils, wenn der Zug drüberfährt», so Teamleiter Mergim Faqi. Nun kommt der Kran zum Zug: Er fährt bis ans abgetrennte Schienenstück vor, schiebt seinen Dutzende Meter langen Ausleger darüber, woran die Arbeiter mit Ketten die Weiche befestigen. In einem ersten Schritt zieht der Kran das komplette Gleis samt Schienen und Schwellen einige Zentimeter aus dem Schotter. Nun entfernen die Gleisbauer mit Schottergabeln die Steine, die auf den Schwellen liegengeblieben sind. Danach trägt der Kran seine bis zu 15 Tonnen Last von der Baustelle weg und legt sie auf einen Spezialwagen auf dem Nachbargleis.
«Das Wichtigste für einen reibungslosen Gleisbau ist das Know-how der Mitarbeiter.»
In der Zwischenzeit ist aus Richtung Bassersdorf der «Baggerzug (Vanoliner)» vorgerückt. Er hat die vordere Achse entfernt und die hintere Achse hochgezogen, fährt stattdessen auf Raupen – das Gleis hat der Kran ja soeben weggetragen – und beginnt, langsam rückwärtsrollend, den Schotter unter sich zu schaufeln, wo er mittels Förderband zu den Ladewagen dahinter bugsiert wird. Noch weiter hinten, wieder auf dem Gleis, steht ein Schotterzug, dessen einzelne Wagen ebenfalls mit Förderbändern verbunden sind. Ist der hinterste Wagen voll, wird der nächste gefüllt. Wenn dieser Zug komplett beladen ist, hat er 40 Minuten Zeit, nach Effretikon zu fahren, die rund 700 Tonnen Steine abzuladen und wieder zurückzukehren. So lange kann der «Baggerzug» weiterarbeiten und seine eigenen Wagen füllen. «Die Logistik ist äusserst wichtig», sagt Mergim Faqi. «Steht etwas verkehrt herum oder am falschen Ort, hat man verloren.»
Drei Jahre Baustellenplanung
Entsprechend beginnt die Planung einer solchen Baustelle in der Regel drei Jahre im Voraus und involviert sehr viele Beteiligte, von der eigentlichen Bauplanung über Sicherheit bis zu den Bahnunternehmen, von denen auf den SBB-Gleisen ja mehrere unterwegs sind. Eine Gleissperrung wie am Flughafen wird in der Regel eineinhalb Jahre vorher beschlossen.
Man liege gut im Zeitplan, sagt der 33-jährige St. Galler, der 2010 bis 2013 bei Login, einem Tochterunternehmen und Bildungspartner der SBB und rund 70 weiteren (Bahn-)Unternehmen, das Handwerk der Gleisbauer gelernt hat. «Das Wichtigste für einen reibungslosen Gleisbau ist das Know-how der Mitarbeiter», ist Mergim Faqi überzeugt. «Denn wir arbeiten sozusagen am Rückgrat der Schweiz.»
Staubtrockener Tunnel
Inzwischen ist ein Arbeiter mit einem dicken Schlauch dabei, Wasser auf den Schotter zu spritzen, bevor ihn der Bagger wegkratzt. Denn im Tunnel, wo es nie regnet, bleibt auch der Staub liegen und würde nun aufgewirbelt. Ausserdem sorgen mehrere grosse Gebläse dafür, dass im Tunnel stetig Durchzug mit Frischluft herrscht – die Maschinen laufen mit Diesel, weil die Fahrleitung aus Sicherheitsgründen abgestellt ist.
Die rund 3500 Kubikmeter Schotter von allen acht Weichen werden übrigens, im Gegensatz zu früher, nicht in einer Deponie entsorgt, sondern gewaschen und als Recycling-Schotter wiederverwendet. Die gesamten Baukosten betragen rund 8,4 Millionen Franken.
Die neuen Schienen und Weichen, welche der Kran später bringen wird, sind in Hägendorf im Kanton Solothurn millimetergenau vorgefertigt worden. Hier befindet sich das Bahntechnik-Center für Infrastruktur. So entfällt das Verschrauben von Schienen und Schwellen auf der Baustelle. Später werden die Gleise wieder verschweisst, «und dann klopft es beim Drüberfahren auch nicht mehr», verspricht Mergim Faqi.