Acht-Augen-Prinzip
Alles ist eine Frage des Blickwinkels. Erst wenn man sich bemüht, die Welt von verschiedenen Seiten zu betrachten, kommt man auf die ganze Wahrheit.
Bei der kooperativen Spielreihe «Point of View» geht es genau darum. Nur wenn alle genau hinschauen und miteinander kommunizieren, werden sie das Abenteuer bestehen. In «Lost Places», dem ersten Titel der Reihe, verschlägt es die Spieler auf eine verlassene Insel. Zusammen mit Forschern und anderen Abenteuerlustigen wollen sie deren Geheimnisse lüften.
Kernstück des Spiels sind vier Sichtschirme, die jeweils ein Panorama der Insel zeigen. Allerdings jeder aus einer anderen Himmelsrichtung. Jeder Spieler erhält einen – bei weniger als vier Spielern werden die übrigen offen ausgelegt, bei mehr können sich jeweils zwei einen solchen teilen. Den eigenen Sichtschirm behält man aber für sich. Ein Kartenstapel führt durchs Abenteuer. Zunächst erzählen die Karten die Story. Doch schon bald die erste Frage: Woher weht der Wind?
«Wie sich Informationen nur durch das Zusammenspiel offenbaren, ist faszinierend.»
Hier sind wir nun beim Kern des Spiels angelangt. Die Spieler müssen versuchen, gemeinsam diese Fragen zu beantworten. Dafür schaut sich jeder seine Szene genau an und erzählt von hilfreichen Hinweisen, die andere eventuell nicht sehen, da die wichtige Stelle auf ihrer Zeichnung verdeckt ist.
Hat man diskutiert und sich geeinigt, liefert die nächste Karte die Lösung. Ist die Antwort richtig, wandert die Karte auf den Punktestapel, ist sie falsch, wird die Karte abgeworfen. Unabhängig davon geht das Abenteuer weiter. So lernt man immer mehr über Insel und die Figuren, die überall im Gelände umherstehen – und versucht, den Rätseln auf den Grund zu gehen. Immer ist genaues Hinschauen verlangt, um im Dialog die richtigen Schlüsse zu ziehen. Der Kartenstapel bringt mit der Zeit auch Sonderkarten, die gewissen Spielern ausgehändigt werden. Es gilt, auch diese Informationen zur richtigen Zeit einzubringen.
Die Partie endet, sobald der Kartenstapel durch ist. Nun werden die richtig beantworteten Fragen gezählt. Wirklich verlieren kann man nicht. «Lost Places» besteht aus vier Kapiteln zu je ca. 90 Minuten. Wer will, kann sich die Kartentexte auch von einer App vorlesen lassen.
Dr. Gamble meint: «Point of View» punktet mit seiner originellen Idee: Wie viel Informationen in einer Szene versteckt sein können – und wie sie sich oft nur durch das Zusammenspiel mehrerer oder aller Blickwinkel offenbaren, ist faszinierend. Da helfen die atmosphärischen Zeichnungen, die mit ihren Details an Wimmelbilder erinnern und in die Welt von Hangman Island entführen. Als Gruppe feiert man denn auch, wenn man bei kniffligeren Fragen gemeinsam die richtigen Schlüsse gezogen hat und jeder seinen Teil dazu beitragen konnte. Das ist auch der Schlüssel zur Freude an «Point of View»: Alle sollten möglichst kommunikativ und voll bei der Sache sein, denn jeder Blickwinkel ist wichtig.
Manche Fragen sind etwas unpräzise formuliert – was zum Beispiel zählt als «Gebäude»? Doch da die Punktewertung am Ende eher zweitrangig ist, kann man auch mal mit teilrichtigen Antworten leben.
Dr. Gambles Urteil: 4 von 5 Töggeln
«Point of View: Lost Places» von Lukas Bleuel, Haba, 2–8 Spieler, ab 10 Jahren