Roger Bader: «Bernd Wolf wird zu einem grossen Gewinn für Kloten»

Richard Stoffel

Im Interview spricht der in Kloten wohnhafte österreichische Hockey-Nationaltrainer Roger Bader über die Gründe für das gute Abschneiden an der WM, über Bernhard Wolf, der nach Kloten kommt, und wie er reagiert, wenn der EHC ihn wegen des Jobs als Headcoach anfragen würde.

Roger Bader (59) ist seit Ende 2016 österreichischer Nationaltrainer und seit 2017 zusätzlich auch Sportdirektor beim WM-Überraschungsteam Österreich. Österreich verblüffte an der Eishockey-WM in Tschechien nicht nur mit dem 10. Rang und dem dritten Klassenerhalt in Folge, sondern mit einer famosen Aufholjagd gegen Kanada im Schlussdrittel vom 1:6 zum 6:6 (6:7 n. V.) und seiner sensationellen WM-Siegpremiere gegen Finnland (3:2).

Bader wohnt in Kloten und war bei den Flughafenstädtern von 2001 bis Ende 2004 als Assistenztrainer des legendären Wladimir Jursinow tätig. Er gilt wie Jursinow als exzellenter Ausbildner, er coachte von 1996 bis 2009 verschiedene Junioren-Nationalteams, war einst auch im Amateur-Eishockey als Headcoach erfolgreich und wirkte als Assistent bei mehreren NL-Klubs.

Als mittlerweile langjähriger öster­reichischer Nationaltrainer ist er regelmässiger Matchbesucher von National-League-Spielen. Für die Beobachtung ­seiner Nationalteam-Kandidaten ist er auch oft an Klotens Heimspielen anzutreffen. Nach den zu Ende gegangenen Engagements von David Reinbacher und Patrick Obrist (waren beide nicht an der WM) in Kloten wird sich Baders entsprechender Fokus bei den Zürcher Unterländern nun auf den von Lugano gekommenen Verteidiger Bernd Wolf richten.

Baders Tochter Jennifer ist zudem Gemeinderätin in Kloten, sein Sohn Thierry spielt beim SC Bern. Nachfolgend äussert sich Bader in einem Exklusiv-Interview mit dem «Klotener Anzeiger» zur WM und zu einigen Themen rund um den EHC ­Kloten.

 

«Jonathan Ang zeigte in der ersten Saison nach dem Aufstieg sehr gute Leistungen. Es gibt keinen Grund, dass er dieses Level nicht nochmals erreichen könnte.»

Roger Bader, österreichischer Nationaltrianer

 

Wie ist Österreichs verblüffende WM zu erklären?

Wir hatten schon vor zwei Jahren eine überdurchschnittliche WM verzeichnet mit damals sieben Punkten. Damals hatten wir den diesjährigen Weltmeister Tschechien schlagen können. Doch diesmal lieferten wir gleich serienweise gute Spiele ab. Schon beim 5:6 gegen die Schweiz, gegen die wir knapp ohne Punkte blieben, dann das Spiel gegen Kanada, das mit fünf Toren vom 1:6 zum 6:6 historisches Ausmass für das Aufholen in einem Schlussdrittel auf höchster WM-Stufe besass. Und dann erstmals in Österreichs Hockey-Geschichte, an einer WM Finnland zu besiegen. Das ursprüngliche Ziel war der Klassen­erhalt. Das haben wir übererreicht mit dem 10. Rang. Gegen die Nummer 1 und 2 der Weltrangliste vor der WM (Kanada und Finnland) holten wir vier Punkte. Am Ende scheiterten wir beim 2:4 gegen Absteiger Grossbritannien an unseren Nerven, um mit einem Sieg selbst gar den Viertelfinal zu erreichen.

Dominic Zwerger von Ambri-Piotta war mit acht Skorerpunkten (davon 2 Tore) der österreichische WM-Topskorer. Er besass immer schon diesen gewinnenden «Schmäh», der ihn nebst seiner sportlichen Qualität auszeichnete. Durch seine Klubtreue, seine fassbare Nähe zu den Fans und auch durch seinen zähen und langen Leidensweg nach einem Schädel-Hirn-Trauma besitzt er wohl bereits Legendenstatus bei den Leventinern. Steht Zwerger, der in Ambris unnachgiebigem Underdog-Wesen das österreichische WM-Team wiedererkannte, symbolhaft für Österreichs WM-Abschneiden?

Zwerger war noch nie so gut wie jetzt an dieser WM. Es war seine klar beste WM. Solche Leistungen waren ihm immer zuzutrauen. Er war ein sehr wichtiges Element, dass wir diesen Erfolg erringen konnten. Dominik war schon bei der U20 mit Österreich unter mir 2016. Ich habe schon eine lange Beziehung zu ihm.

 

«Dominic Zwerger war noch nie so gut wie jetzt an dieser WM. Es war seine klar beste WM. Solche Leistungen waren ihm immer zuzutrauen.»

 

Zwerger wurde ja einst in Davos ein wenig verkannt. Arno Del Curto gab selbst zu, dass er seinerzeit in Davos ein Stürmerüberangebot besass und dem jungen Zwerger dessen nachmalige Entwicklung zu einem NL-Topspieler nicht zugetraut hatte. Mittlerweile verstehen sich die beiden aber bestens, zumal Del Curto seit drei Jahren bei ihnen als Assistent wirkt.

Arno hat einen sehr guten Einfluss auf die Spieler. Seine Aufgabe ist das Motivieren, Anpeitschen oder auch mal Beruhigen. Del Curto hat eine sehr gute und wichtige Aufgabe und kann auch Ansprechpartner für Sorgen und Nöte der Spieler sein. Arno kann sich da mit seiner immensen Erfahrung einbringen. Der Hintergrund seiner Tätigkeit ist auch, dass Arno und ich seit über 30 Jahren durch gemeinsame Coaching-Zeiten sehr gute Freunde sind. Ich selbst bin in Österreich als Headcoach für den gesamten Trainer-Stab mit insgesamt sechs Coaches verantwortlich. Jede einzelne Position ist bei uns top besetzt. Ich finde es schade, dass man Arno da manchmal so heraushebt, auch wenn er seine Sache natürlich sehr gut macht und er wichtig ist. Doch dies ist der Video- oder der Goalie-Coach oder ­unser Analytiker des Gegners genauso.

Bernd Wolf ist neben Zwerger ein anderer Ihrer WM-Spieler und Leistungsträger. Der Verteidiger stösst nun von Lugano zu Kloten. Wolf war in der letzten Saison bei Lugano bezüglich Skorerpunkten so produktiv wie Klotens Abwehrspieler im Gesamttotal.

Kloten kann sehr zufrieden sein, Bernd Wolf zu erhalten. Er ist wie Zwerger seit 2016 Spieler von mir in Österreichs Auswahl, zunächst in der U20, danach im Nationalteam. Er ist ein ganz starker Zweikämpfer. Bernd ist defensiv top. Er kann von hinten hinaus unter Druck und starkem gegnerischem Forechecking einen Angriff einleiten. Seine Plus-Minus-Statistik an der WM war sehr gut. Er war ein wichtiger Spieler für unser Team, auch wenn er eher weniger ein Powerplay-Spieler ist. Er wird aber für Kloten mit seinem Kampfgeist und seiner Siegermentalität zu einem grossen Gewinn werden. Das ist er auch für uns im Nationalteam.  Lugano könnte es noch bereuen, dass Wolf nicht mehr für dieses Team spielt.

 

«Als Profitrainer binich immer offen für Anfragen. Wenn man mit mir reden will, setze ich mich an den Tisch.»

 

Kloten verzeichnete eine starke Saison nach dem Aufstieg und verblüffte mit dem Einzug in die Pre-Playoffs. Doch in der letzten Saison blieb man mit dem 13. Rang diskussionslos auch hinter den eigenen Erwartungen. Was stellten Sie als aussenstehender Fachmann fest, weshalb es Kloten nicht wunschgemäss lief?

Die Saison der Bestätigung, also die zweite Saison nach dem Aufstieg, verlief schon für andere Teams vor Kloten sehr harzig. Ich kenne das Innenleben des Teams nicht. Ich habe in der letzten Saison durchaus gute Spiele gesehen. Aber ich denke, dass der Hauptpunkt war, dass es nach dem Ende der Trainertätigkeit von Jeff Tomlinson einen Wechsel an der Bande gab und danach zwei weitere Trainerwechsel. Keine dieser Massnahmen fruchtete irgendwie und man kam in eine negative Spirale. Auffallend war, dass die Imports weniger Skorerpunkte als in der ersten Saison nach dem Aufstieg produzierten und es im Powerplay nicht lief. Kloten ist aber sicher ein Klub, der in die National League gehört. Und ich hoffe, dass man wieder einen Schritt nach vorne machen kann. Sie haben nun in der Person von Ricardo Schödler einen kompetenten Sportchef engagiert, der zudem Schweizer ist und deshalb besser in diese Rolle passt. Vielleicht ist es ja jetzt gut, dass die Erwartungen nun nicht mehr so hoch sind in Kloten. Wichtig wird nun sein, dass man einen guten Trainer findet und den einen oder anderen guten Ausländer noch verpflichten kann.

Finden Sie es vertretbar, wenn der von Kloten vor einigen Wochen als «verabschiedet» kommunizierte Jonathan Ang vielleicht doch noch einen neuen Vertrag bei den Flughafenstädtern unterschreibt?

Wir alle im Leben müssen manchmal Entscheide korrigieren. Ang zeigte in der ersten Saison nach dem Aufstieg sehr gute Leistungen. Es gibt keinen Grund, dass er dieses Level nicht nochmals erreichen könnte. Weshalb er in der letzten Saison unter seinem Rendement blieb und wie sich dies wieder ändern kann, wird in Kloten sicher analysiert worden sein.

 

«Kloten kann sehr zufrieden sein, Bernd Wolf zu erhalten. Er ist ein ganz starker Zweikämpfer.»

 

Klotens neuer Sportchef Ricardo Schödler war zum Abschluss seiner Tätigkeit als Nationalteam-Manager mit der Schweiz in Tschechien. Sie liefen ihm in der Vorrunde in Prag oft über den Weg, da die Schweizer im gleichen Hotel nächtigten.

Es liess sich deshalb nicht vermeiden. Auch im Kabinentrakt traf man wiederholt aufeinander. Ich kenn Ricardo schon länger, vorab auf verbandstechnischer Ebene von Österreich zur Schweiz. Wir haben in Prag miteinander gesprochen, aber nicht spezifisch über Kloten.

Ist Kloten also bislang nicht auf Sie zugekommen bezüglich der offenen Trainerfrage? Allenfalls auch deshalb nicht, weil Sie in Österreich noch unter Vertrag stehen und kein Doppelmandat möglich wäre?

Es gab deshalb bis zum jetzigen Zeitpunkt keinen Kontakt mit Kloten. Ich will keine Gerüchte anheizen, und es betrifft ja nicht nur Kloten, wenn ich sage: Für Anfragen als Profitrainer bin ich immer offen. Aber meine Aufgabe in Österreich ist noch nicht beendet. Ich plane bis und mit der WM 2026 in der Schweiz. Aktuell bereite ich aber die nächste Saison mit Österreich inklusive der Olympia-Qualifikation von Ende August in Bratislava mit Gastgeber Slowakei vor, das in dieser Vorsaison-Phase auf seine NHL-Spieler zählen können und deshalb an diesem Vierländerturnier favorisiert sein wird.

Wenn Kloten konkret auf Sie zukäme, wären Sie offen für Gespräche?

Als Profitrainer bin ich immer offen für Anfragen. Wenn man mit mir reden will, setze ich mich an den Tisch. Aber grundsätzlich bin ich in Österreich tätig und will meine Arbeit zu Ende führen. Und als österreichischer Nationaltrainer möchte ich mit meinem Team noch den nächsten Schritt erreichen mit einer Viertelfinal-Qualifikation an einer WM.

Pflegen Sie persönlich aktuell noch Kontakte zum EHC Kloten?

Aktuell nicht mehr. Zuletzt hatte ich noch engeren Kontakt mit Mike Schälchli, als dieser bis vor einem Jahr noch Präsident war. Ich treffe mich regelmässig mit Wladimir Jursinow, der auch in Kloten wohnt.

Zum Abschluss noch Ihre Einschätzung zum Schweizer WM-Silbermedaillen-Gewinn an der WM in Tschechien?

Es war eine hervorragende WM der Schweiz. Klar ist man als Sportler enttäuscht, dass man nicht auch noch den Final gewonnen hat. So reagieren auch richtige Sportler. Bald wird man aber realisieren, dass man eine Silbermedaille gewonnen hat. Und diese auf hochverdiente Art und Weise. Und irgendwann wird es für Gold reichen. Die Leistungen waren hervorragend und ­haben allen Schweizern Freude bereitet, auch mir. Ich bin der Ansicht, dass Nationaltrainer Patrick Fischer und sein Team einen hervorragenden Job gemacht ­haben.