Opfikon erhält unverhofft 31 Millionen Steuern
Weil eine Firma unerwartet 30,9 Millionen Franken mehr an Steuern gezahlt hat, wird aus dem Defizit in der Rechnung ein satter Überschuss – und die Steuererhöhung somit überflüssig.
Es hätte auch eine grosse Debatte geben können: Aufgrund erwarteter Defizite hatte der Opfiker Stadtrat vor, die Steuern für nächstes Jahr von 94 auf 97 Prozent anzuheben, um wenigstens eine schwarze Null (rund 900 000 Franken bei einem Haushalt von gut 200 Millionen) zu schreiben. Die Ratslinke war dafür, die Bürgerlichen waren selbstredend dagegen. Die Fraktionserklärungen waren verfasst, die Meinungen gefasst.
Am Morgen des 1. Oktobers verabschiedete der Stadtrat dieses Budget und legte es am 2. Oktober der Rechnungsprüfungskommission vor. An der nachmittäglichen Stadtratssitzung vom 1. Oktober wollte dieser Sparmassnahmen diskutieren, weil die Rechnung 2023 ebenso negativ war wie die Hochrechnung des laufenden Jahres «und der Finanzplan tragisch aussah», so Finanzvorsteher Mathias Zika (FDP). Dass man sparen müsse, sei im Stadtrat unbestritten gewesen; aber man war auch der Meinung, nur mit 3 Prozent mehr Steuern Budgetdefizit von 2 Millionen in einen kleinen Gewinn von 1 Million umwandeln zu können.
Das rettende Telefonat
«Noch während dieser Sparsitzung bekamen wir einen Anruf aus der Buchhaltung, dass eine Firma Ende September 84 Millionen Franken an Steuern eingezahlt hatte», führte Zika an der Gemeinderatssitzung vom Montag weiter aus. Erste Abklärungen ergaben, dass etwas mehr als die Hälfte davon als Staatssteuern an den Kanton gehen würden. Das wären immer noch 30,9 Millionen mehr für Opfikon als budgetiert. Abzüglich des Finanzausgleichs, den die Stadt Opfikon zahlen muss, würden noch 9,2 Millionen Franken direkt in der Stadtkasse verbleiben.
«Dann bekam ich einen Anruf, dass 84 Millionen Franken an Steuern eingegangen seien.»
Zusammen mit der Neubewertungen von Grundstücken (Aufwertung um 15 Millionen) dürfte aus dem budgetierten Defizit von 3,3 Millionen ein Gewinn von 21 Millionen Franken werden. Auch fürs nächste Jahr würde der Überschuss statt 900 000 nun 10,2 Millionen Franken betragen. Und gemäss Zika könne die Stadt weiterhin jährlich mit diesen Einnahmen rechnen. «Das zeigt die unglaubliche Volatilität unserer Steuereinnahmen», betonte Kassenwart Zika. «So etwas genauer zu budgetieren, ist schlichtweg nicht möglich.»
SP: «Systematisches Angstklima»
Genau dies verlangte aber Yuri Fierz seitens der SP, der nach dem Studium von Protokollen der letzten Jahre zu einem Rundumschlag ausholte: «Beim Budgetieren der Steuern liegen wir seit 10 Jahren konstant daneben: 2015, Budget +1,1 Millionen, Ergebnis +9 Millionen; 2017, Budget +0,7 Millionen, Ergebnis +14,7 Millionen; 2019, Budget +12,7 Millionen, Ergebnis 18,5 Millionen; 2022, Budget –12,5 Millionen, Ergebnis +17,6 Millionen. Ich könnte weiter aufzählen, will euch aber nicht langweilen.»
«Beim Budgetieren der Steuern liegen wir seit 10 Jahren konstant daneben.»
Fierz glaubt deshalb auch bei diesem positiven Steuerbescheid nicht an einen glücklichen Zufall. Unter dem Damoklesschwert eines Defizits habe das Parlament gegen den Willen der Linken Budgetkürzungen durchgewunken, die negative Effekte hatten – trotz der letztlich positiven Rechnungen. Vergangenen Dezember etwa habe man «trotz 13 Millionen Franken Überschuss am Jahresende» 5700 Franken gestrichen, mit denen die Stadtbibliothek neue Kinderbücher hätte kaufen wollen.
Gelitten hätten darunter diejenigen Menschen, die sich am wenigsten wehren könnten – darunter minderjährige Kinder, Sozialhilfebezüger, Menschen aus einkommensschwachen Schichten. Und auf der anderen Seite seien linke Anliegen (Stromzulage für niedrige Einkommen, neue Busline, Gemeinschaftszentrum) permanent abgeschmettert worden.
«Wir sind nicht auf dem Basar, wo man sich am Schluss in der Mitte trifft.»
Zuvor hatte RPK-Präsident Björn Blaser (FDP) die «enormen» Budgeterhöhungen vor allem bei der Schule kritisiert und daran erinnert, dass auch die Finanzplanung 2024 bis 2028 von unvermindert stark ansteigenden Betriebskosten geprägt sei. In der Erfolgsrechnung würden nicht nur die Erträge, sondern auch die Abschreibungen steigen und somit jährliche Defizite von etwa 9 Millionen Franken erwartet. Zudem seien bis 2028 Investitionen von 126 Millionen Franken vorgesehen, von denen nur knapp 36 Millionen selbst finanziert seien.
Kaum Wachstum, mehr Ausgaben
Bedenklich sei vor allem, dass die Kosten der Verwaltung und der Schule weiter stark steigen würden, obwohl die Bevölkerungszahl stagniere. «Aus Sicht der gesamten RPK muss dem Personalaufwand mehr Beachtung geschenkt werden, insbesondere der Ressourcenplanung», forderte Blaser.
Und namens seiner FDP-Fraktion mahnte er auch in der Schule eine «seriöse Budget- und Ressourcenplanung analog zu den anderen Abteilungen» an, da hier noch viel Potenzial nach unten vorhanden sei. «Wir sind nicht auf dem Basar, wo man sich am Schluss in der Mitte trifft, wir wollen seriöse und gut begründete Budgets.»
Wallisellen und Kloten senken Steuern
Den Steuerfuss gesenkt haben übrigens gleich zwei Nachbargemeinden Opfikons: In Wallisellen beschloss die gut besuchte Gemeindeversammlung am Montag, diesen von 95 auf 93 Prozent zu senken. Weder Finanzvorstand Tobias Meier Kern, der vor dem wachsenden Aufwand und notwendigen Investitionen warnte, noch die RPK vermochten das Stimmvolk umzustimmen. Das Klotener Parlament senkte den Steuerfuss am Dienstagabend ebenfalls, von 103 auf 100 Prozent.