Raum und Zeit
Friedjung Jüttner, Dr. phil., Psychotherapeut
Für den Philosophen Immanuel Kant gehörten Raum und Zeit insofern zusammen, als sie «Formen der Anschauung» sind. Das heisst, wenn wir etwas wahrnehmen, dann brauchen wir die beiden Kategorien von Raum und Zeit.
Über Zeit mache ich mir oft Gedanken, weil ich täglich – von morgens bis abends – mit ihr zu tun habe. Der Wecker am Morgen läutet zu einer bestimmten Zeit, das Mittagessen hat seine Zeit, die Nachrichten am Abend rufen um halb acht vor den Fernseher. Ich habe das Gefühl, die Zeit im Griff zu haben. Sie läuft, aber sie läuft mir nicht davon. Ich habe mich an sie gewöhnt. Im Vergleich zu früher habe ich sogar den Eindruck, genug Zeit zu haben, um mein Leben zu leben.
«Und einige Quantenphysiker vermuten sogar, dass dieses unser Universum Teil eines Multiversums ist.»
Die Erfahrung, dass ich in der Zeit lebe, ist mir also viel bewusster als die Tatsache, dass ich mich ja immer auch in einem Raum bewege. Und wenn ich es recht bedenke, dann werden aus dem Raum, in dem ich jetzt gerade bin, Räume. Es fängt mit der Wohnung an, die in einem Haus ist. Das Haus – ich mache jetzt grosse Sprünge – steht auf der Erde. Und unsere Erde befindet sich in einem Weltall. Und einige Quantenphysiker vermuten sogar, dass dieses unser Universum Teil eines Multiversums ist. Das sind «unendliche» Dimensionen, in denen unsere Erde, und erst recht wir selber, sehr klein erscheinen.
Sich dessen bewusst zu sein, macht auf der einen Seite bescheiden, auf der anderen Seite erfüllt es uns mit Staunen und Ehrfurcht – besonders dann, wenn wir Fotos sehen, die das Weltraumteleskop James Webb zur Erde sendet. Das Staunen nimmt sogar noch zu, wenn man bedenkt, dass sich dieses unser Universum mit «atemberaubender Geschwindigkeit» ausdehnt. Wohin? Da ist offenbar noch viel Raum vorhanden.
Zurück zu unserer Erde. Da werden im Moment Kriege geführt, um Landstriche und Raum zu erobern oder zu verteidigen, die in frühen Zeiten eigentlich niemandem gehörten, und die, verglichen mit dem All, eigentlich ein Nichts sind. Dafür müssen Menschen sterben. Wie lange noch? Ob die Menschen klüger werden, bevor sie ihre Besitzansprüche auch noch auf den Weltraum verlegen?
