Gedankensplitter: Langfristig

Friedjung Jüttner

Langfristig ist irgendwie ein hässliches Wort. Wenigstens für mich. Vor allem, wenn ich es aussprechen soll. Und doch habe ich mich mit diesem Wort angefreundet. Und das schon vor langer Zeit.

Damals habe ich mal den Ratschlag gelesen: Das Langfristige hat Vorrang vor dem Kurzfristigen. Ich brauchte eine Weile, um die Bedeutung dieses Satzes zu verinnerlichen. Aber seit dem versuche ich mich daran zu halten und dem Langfristigen mehr Bedeutung zuzugestehen als dem Kurzfristigen.

Weil dieser Satz allgemeine Gültigkeit haben dürfte, gilt er auch für die Politik. Auch für die Wirtschaftspolitik. Frau Karin Keller-Sutter bestätigt das: «Langfristige Stabilität hat für den Bundesrat Vorrang vor kurzfristiger Rendite.» («Migros-Magazin» 6. Oktober 2025, Seite 13).

 

«Das Langfristige hat Vorrang vor dem Kurzfristigen. Ich brauchte eine Weile, um die Bedeutung dieses Satzes zu verinnerlichen.»

Friedjung Jüttner, Dr. phil., Psychotherapeut

 

Aber das gilt im Moment nicht für Amerika. Drei Wirtschaftsexperten der Universität Zürich vergleichen deshalb die Politik Trumps mit einer Abrissbirne, weil er mit seinen Entscheidungen zwar für den Moment die amerikanische Wirtschaft stärken will, sie aber auf die Dauer schwächt und kaputtmacht («UZH Magazin» 3/2025, Seite 31).

Ich verstehe nicht alle Argumente der Experten, die beispielsweise Vertrauen in Institutionen, offene Märkte oder starke Bildungs- und Sozialsysteme ins Feld führen. Meine Überlegungen bleiben immer am Langfristigen hängen. Bei der Verschuldung eines Staates wird mir das besonders klar. Mit Schuldenmachen kann man schnell aktuelle Probleme lösen, aber langfristig führt das zu Belastungen, eventuell sogar zu einer Pleite.

Nun könnte es mir egal sein, ob die USA bald mal zahlungsunfähig werden, aber das hätte auch Auswirkungen auf die Wirtschaft in Europa und der Schweiz. Darum ist es mir nicht egal, welche Entscheidungen der Mann im Weissen Haus trifft und wie lange er noch vom «Big Beautiful Bill» schwärmt.

Und wenn ihm jemand aus seinem Beraterstab sagen würde: «Donald, denk daran, das Langfristige hat Vorrang vor dem Kurzfristigen», er würde es nicht begreifen. Ich hoffe, dass auch sein Einfluss nur kurzfristig ist und er möglichst bald von der Weltbühne wieder verschwindet.