Ein Konzert setzt den Schlusspunkt

Dennis Baumann

Ein letztes Mal erfüllten Klänge die Wunderkammer im Glattpark: Nach neun Jahren schliesst der experimentelle Kulturort seine Türen. Etwa 60 Gäste erlebten am vergangenen Sonntag einen Abschiedsabend zwischen Wehmut und klanglicher Intensität.

Uhrticken vermischt sich mit metallischem Klirren, ein lautes Rauschen durchzieht den Raum. Raimund Vogtenhuber beugt sich über seine Synthesizer und verteilt seine Noiseboxen im Raum, alienhaft anmutende Klänge schallen aus allen Seiten. Im schwachen Licht sitzen die Gäste an kleinen Tischen, Glühwein und Bier vor sich und lauschen gebannt.

«Wir haben in der Zeitung davon gelesen und wollten die letzte Chance noch wahrnehmen», erzählt ein Paar aus Opfikon. «Wir wollen uns überraschen lassen und sehen, was auf uns zukommt.»

Musik mit Glas und Porzellan

Was an diesem Sonntagabend auf die Gäste zukommt, ist das Ende einer Ära. Seit 2016 betreibt Vesna Tomse die Wunderkammer auf der Glattparkbrache, ein Ort für experimentelle Musik und Klangkunst.

Hier hatten Künstler aus aller Welt Raum für jene Sounds, die anderswo keinen Platz finden: Für das Abschiedskonzert versammelte Tomse die «All Stars» der Wunderkammer. Jene Künstler, die den Ort von Anfang an begleitet haben.

Jordi Fresco und Roger Sommer bringen ihre Klanginstallation «Glas- und Porzellanabteilung» zum Klingen. Gläser ­vibrieren, klirren in unterschiedlichen Tonhöhen und erzeugen ein den ganzen Raum erfüllendes Rauschen.

«Es ist mal etwas ganz anderes, sehr experimentell, aber interessant», meint eine Besucherin in der Pause. Gegen Ende des Auftritts fallen ein paar Gläser zu Boden und zerbrechen – nicht geplant, aber irgendwie passend.

Underground-Legende legt auf

Ein anderer Gast schwärmt: «Der Abend ist bisher fantastisch», sagt Sebastian Bischoff, der aus der Stadt Zürich angereist ist. «Die Aufmachung hier ist sehr schön und die Atmosphäre dieser Klänge findet man nicht überall. Ich freue mich vor allem auch auf Dave Phillips. Er ist eine Legende in der Underground-Szene.»

Als Phillips schliesslich auftritt, empfiehlt er dem Publikum, die Augen zu schliessen. Seine Tonaufnahmen von Insekten und Amphibien würden ihre volle Wirkung nur im Dunkeln entfalten. Die meisten machen mit, verbinden sich sogar die Augen mit Halstüchern. Was folgt, ist eine akustische Reise: Dschungelgeräusche werden zunehmend abstrakt, dröhnend laut. Mit geschlossenen Augen wird der Klang physisch, fast greifbar.

Dominik Blum am Analog-Synthesizer und Blockflötist Alex Riva lassen später ihre gegensätzlichen Instrumente aufeinanderprallen. Hohes Pfeifen trifft auf eine Soundkulisse, die an Autobahnrauschen erinnert. Zwischen den Auftritten gehen die Gäste nach draussen, tanken frische Luft. Auf der Leinwand laufen Filmsequenzen über die Geschichte der Wunderkammer: Von der Trockenlegung des einstigen Weihers bis hin zur Einrichtung des Innenraums.

Es ist das Ende einer Ära

«Man geht ja immer davon aus, dass solche Dinge immer weitergehen», sagt eine Besucherin. «Es ist ein kultureller Ort, der verloren geht. Hier wird ein wichtiger Treffpunkt fehlen.»

Am härtesten trifft das Ende Vesna Tomse selbst. «Ich bin mehrere Tode gestorben», sagt sie gegen Ende des Abschiedsfests. Die Jahre mit der Wunderkammer seien durchzogen gewesen. Die schöne Seite: «Hier sind so viele Geschichten entstanden. Leute, die sich hier trafen, Sachen, die wir bauten.» Die dunkle Seite: «Ich hätte mir von den Behörden Rückhalt gewünscht. Viel Befremden wurde mir entgegnet.»

Doch an diesem letzten Abend überwiegt die Zufriedenheit. «Ich hätte nicht gedacht, dass so viele Leute kommen. Die Rückmeldungen waren durchweg positiv. Leute glücklich zu machen, darum geht es. Das haben wir heute erreicht.»

Wie es weitergeht, kann Tomse nicht sagen. «Mein grosser Wunsch wäre, dass ein anderes Projekt diese Anlage übernehmen könnte.» Bisher ohne Erfolg.

Für den Moment bleibt die Hoffnung, dass die Wunderkammer woanders weiterlebt, ebenso wie die Erinnerung an neun Jahre voller Geschichten.

Gwunderbrunnen

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