Der ewige Kampf mit den Neujahrsvorsätzen
Viele Menschen starten motiviert ins neue Jahr, doch die meisten Vorsätze verschwinden schnell wieder. Die Psychologie weiss inzwischen erstaunlich genau, warum das so ist: Unser Gehirn liebt Routinen, belohnt alte Muster und wehrt Neues oft ab. Doch es gibt Wege, diesen Mechanismus zu überlisten.
Im kommenden Jahr werde ich mehr Sport treiben, weniger Süsses essen, endlich Spanisch lernen und ja, die Gitarre, die man vor fünf Jahren gekauft hat, sollte nun wirklich endlich gelernt werden. Solche oder ähnliche Neujahrsvorsätze nehmen sich viele jedes Jahr erneut vor. Aber Hand aufs Herz: Kaum hat der Januar richtig begonnen, zeigt sich, dass der Alltag stärker ist als der Vorsatz.
Warum Vorsätze im Kopf scheitern
Die Berner Psychologin Stephanie Karrer erklärt im SRF-Format «We, Myself & Why», weshalb gute Vorsätze so oft scheitern. Gewohnheiten und bewusstes Denken liegen an unterschiedlichen Orten im Gehirn. Gewohnheiten laufen automatisch ab und sparen Energie, neues Verhalten dagegen erfordert bewusste Entscheidungen und ist anstrengend. Deshalb setzen sich nicht die guten Absichten durch, sondern die Muster, die über Jahre eingeübt wurden.
Der Zürcher Verhaltenspsychologe Daniel Hausmann Thürig beschreibt im Sanitas-Kundenmagazin ein ähnliches Bild. Gewohnheiten seien ein «Sparprogramm des Gehirns». Sie entstehen durch Wiederholung und verfestigen sich tief im Kopf. Sein Fazit: «Gewohnheiten finden unbewusst statt, man muss sich ihrer zuerst bewusst werden. Nur wenn wir sie verstehen, haben wir eine Chance, sie zu ändern.»
Wie lange es wirklich dauert
Zahlen aus der Verhaltensforschung zeigen, wie zäh Veränderungen wirklich sind. Im Durchschnitt dauert es 66 Tage, bis sich ein neues Verhalten wie eine feste Routine anfühlt. Ess- und Trinkgewohnheiten setzen sich nach rund 50 Tagen durch, sportliche Gewohnheiten brauchen mit etwa 80 Tagen am längsten. Und auch Neujahrsvorsätze verlieren schnell an Kraft: Zwar glaubt zu Jahresbeginn jede zweite Person, sie werde ihren Vorsatz einhalten. Ein Jahr später halten jedoch nur rund 12 Prozent tatsächlich noch daran fest – also etwas mehr als eine von zehn Personen.
Was wirklich hilft
Damit ein Vorsatz nicht bereits nach wenigen Tagen scheitert, rät die Psychologin Stephanie Karrer im SRF-Format «We, Myself & Why» dazu, Ziele möglichst konkret und alltagstauglich zu formulieren. Statt «Ich will weniger am Handy sein» helfe eine klare Regel wie «Ab 21 Uhr bleibt das Handy im Wohnzimmer». Kleine, erreichbare Anpassungen erhöhen die Chance, dranzubleiben.
Hilfreich sind zudem sogenannte Auslösereize. Hausmann Thürig empfiehlt, neue Verhaltensweisen direkt an bestehende Situationen zu koppeln. Wer nach der Arbeit sonst in den Kühlschrank greift, kann diesen Moment nutzen, um die Joggingschuhe anzuziehen. Je häufiger dieses Muster wiederholt wird, desto eher wird es zur neuen Gewohnheit.
Schritt für Schritt
Beide Fachpersonen betonen, dass Rückschläge normal sind. Neue Muster entstehen nicht linear, sondern in kleinen Schritten. Wichtig sei, kleine Fortschritte wahrzunehmen und nicht bei jedem Rückfall aufzugeben. Neujahrsvorsätze sollen Orientierung bieten, nicht Druck. Und jeder wiederholte Schritt bringt einen näher an das Verhalten, das man sich wünscht.